Dr. med. Maria Overdick-GuldenVon Dr. med. Maria Overdick-Gulden, Trier

(Leserbrief veröffentlicht in: „Die Tagespost“ am 03.11.15, Nr. 131)

Es sei wiederholt: „Er (der Arzt) soll und darf nichts anderes thun als Leben erhalten, ob es ein Glück oder Unglück sei, ob es Werth habe oder nicht, dies geht ihn nichts an“, so der der königlich preußische Leibarzt und in der Armenfürsorge tätige Sozialhygieniker Christoph Wilhelm Hufeland 1837. In das Jetzt vergegenwärtigt, lesen wir bei ihm weiter: „und maaßt er sich einmal an, diese Rücksicht mit in sein Geschäft aufzunehmen, so sind die Folgen unabsehbar, und der Arzt wird der gefährlichste Mensch im Staate“. Der Autor spricht das aus, was der seit über 2000 Jahre bekannte hippokratische Eid der Ärzteschaft beinhaltet. Inmitten solcher Gefahrenproblematik fragen wir derzeit: Welchen Rahmen braucht jeder Bürger unserer Demokratie für eine würdige dem Menschenleben gemäße Begleitung bei lebensbedrohlicher Krankheit und in Todesnähe? Wonach ruft ein Mensch in der tiefen Einsamkeit einer Depression?

Nach ärztlichem Ethos ist jeder Arzt verpflichtet einzugreifen, wenn er wahrnimmt, dass ein Lebensmüder nach der Einnahme einer tödlichen Dosis eines Pharmakons handlungsunfähig geworden ist. Aus eigener wiederholter Berufserfahrung darf ich berichten, dass die rechtzeitige lebenserhaltende Maßnahme und Nachbetreuung jeweils mit einem Wort dankbarer Lebensbejahung endete. Die Motive meiner damaligen Patienten variierten. Es bestätigte sich, was mein Lehrer Franz Büchner an der Uni Freiburg 1941 (!) in seinem Vortrag „Der Eid des Hippokrates“ ausgeführt hatte: „Der einzige Herr, dem der Arzt zu dienen hat, ist das Leben. Der Tod ist, ärztlich gesehen, der große Gegenspieler des Lebens wie des Arztes. Würde man aber dem Arzte zumuten, die Tötung unheilbar Kranker anzuregen und durchzuführen, so hieße das, ihn zu einem Pakt mit dem Tode zu zwingen. Paktiert er aber mit dem Tode, so hörte er auf, Arzt zu sein“ (zit. aus F. B., Der Mensch in der Sicht moderner Medizin). Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery betont heute: Ärzte sollen manchmal heilen, oft lindern, immer trösten, nie (!) töten. Palliativmedizin und Hospizwesen verhindern, dass „Sterbende vor ihrem körperlichen Tod“ schon „einen sozialen Tod sterben müssen“. So ist dem „Bilanzsuizid“ vorgebeugt.

Diese Perspektive des umfassend geschützten Entscheidungsraums für das Lebensrecht nimmt in der derzeitigen Diskussion einzig der Gesetzentwurf von Prof. Sensburg/Dörflinger/Hüppe ein. Sobald diese dem staatlichen Auftrag zum Lebensschutz gemäße, verschlossene Tür sich durch einen juristisch gestatteten ‚Einzelakt‘, besonders den straffreien „ärztlich assistierten Suizid“ öffnet, wie es der – offenbar auch vom ZDK bevorzugte – Gesetzentwurf Brand/Griese vorsieht, verändert sich die Situation prinzipiell und äußerst gefährlich. Wird nicht heute hohes Alter mit partieller oder ganzheitlicher Pflegebedürftigkeit vielfach als „soziales Sterben“, bereits als „Dasein ohne Würde“ wahrgenommen und schrittweise als Tötungsindikation? Brauchen wir dann, wie ein bekannter Palliativmediziner ironisiert, demnächst gar Spezialisten, „den Beruf des Sterbebeschleunigers“?

Man blicke in diesem Diskurs auf die Entwicklung in den Beneluxstaaten oder in Oregon, wo nach Zulassung des sog. selbstbestimmten assistierten Suizids die staatliche Krankenversicherung Medicaid statt einer möglichen teuren Chemotherapie den assistierten Suizid als „bezahlte“ Alternative vorgeschlagen hat. Das ist resignierendes Nachgeben, eine Kapitulation angesichts der bleibend unantastbaren Würde menschlichen Lebens.

Bleiben wir Sachwalter der Vernunft und dem Bund mit dem Leben treu. Sagen wir Christen unserem Schöpfer und Erlöser Dank für diese Gabe und Aufgabe.

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