Im Deutschen Ärzteblatt 2013; 110(6): A-202 / B-190 / C-190 vom 08.02.13 gab es unter der Überschrift Behandlung von Vergewaltigungsopfern: Moral gegen Patientenwohl? einen interessanten Artikel zur Debatte um die Pille danach, inkl. Interview mit Dr. Bettina Toth, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.

Dazu gab es zwei Leserbriefe:

Leserbrief vom 15.02.13 zur Wirkungsweise der „Pille danach“: Interview mit Dr. Bettina Toth, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe im Deutschen Ärzteblatt vom 8. Feb. 2013 (S. A203)

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Deutschen Ärzteblatt vom 8. Februar wird Dr. Bettina Roth, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe folgendermaßen zitiert: [Bei der „Pille danach“] findet keine Unterdrückung der … Implantation statt“.

Zu einem ganz anderen Schluss kommt das renommierte Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE) in Wien, das eine ausführliche Auswertung der neuesten wissenschaftlichen Publikationen (nach 2010) zu dieser Frage vorgenommen und auf seiner Webseite (www.imabe.org) veröffentlicht hat.

Nach dieser Auswertung wirkt die „Pille danach“ wohl häufig als Frühabortivum; sogar die Hälfte aller Fälle, wo eine mögliche Schwangerschaft nach Vergewaltigung verhindert wird, ist dieser Wirkung zuzuschreiben.

Selbst wenn man die Auswertung des IMABE nicht gänzlich folgen möchte, sollten unsere Fachgesellschaften zumindest die Redlichkeit besitzen, zuzugeben, dass die wissenschaftliche Frage nach der Wirkungsweise der „Pille danach“ nicht geklärt ist. Eine „Basta-Proklamation“ mag in der Politik manchmal nützlich sein, hat aber in der Wissenschaft nichts zu suchen.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. med. Paul Cullen

Dr. Erwin Grom


Leserbrief vom 24.02.13 an die Redaktion „Deutsches Ärzteblatt“ zu Artikel „Behandlung von Vergewaltigungsopfern: Moral gegen Patientenwohl?“

(Heft 6 v. 8.2.2013 S 191)

Nach der Entrüstungswelle über die von Kölner Klinikärzten erfolgte Abweisung einer vergewaltigten Frau, die sich zunächst in die kassenärztliche Notdienstpraxis begeben und dort ein Rezept über die ‚Pille danach‘ erhalten hatte, hält Professor Henke eine berufsethische Überprüfung des Verhaltens der Ärztinnen resp. Kliniken für erforderlich. Die Staatsanwaltschaft dagegen sieht keinen Anlass für eine Ermittlung, da nur die „Spurensicherung“ abgelehnt wurde. Henke begrüßt die „jüngste Kurskorrektur des Kölner Kardinals“ im Blick auf die Verordnung von Levonorgestrel und Ulipristilacetat.

In deren noch immer nicht geklärten Wirkungsweise – dies als Einwand gegen die Ausführung von Prof. B. Toth – drängt sich mir die Notwendigkeit der umfassend möglichen Darstellung des vollständigen Wirkungsprofils der Pillen Levonorgestrel und Ulipristal auf. Im Interesse der Wissenschaft sollte sich die Redaktion unseres geschätzten Standesblattes die Wiedergabe wissenschaftlich kompetenter, umfassender und sachlicher Studien zur Wirkungsweise der beiden Stoffe zur vorrangigen Aufgabe machen. Denn auch eine „hochwahrscheinliche“ Verneinung der Nidationshemmung stellt nicht jedes Gewissen zufrieden, weder das der schwer gekränkten Frau noch das ihres Arztes, wenn die Frage noch möglicher Tötung eines Menschen – hier an seinem Lebensbeginn – nicht vollständig aufgeklärt ist.

Dr. med. Dr. theol. h.c. Maria Overdick-Gulden, Trier