27.04.11: Bemerkenswerte Beiträge zur PID-Debatte

Bemerkenswerte Beiträge zur Debatte um die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) bringt „Die Tagespost“ (Naumann-Verlag, Würzburg) in den Ausgaben vom 12. und 16.4.2011 (dort online kostenpflichtig im Archiv abrufbar).

Unter dem Titel „Die Last der Selektion trägt die Frau“ schreibt Prof. Christoph von Ritter, bei der Präimplantationsdiagnostik PID gehe es nicht um Diagnostik, sondern um Selektion: „Würde diese Vorstellung von Diagnostik auf die gesamte Medizin übertragen, würde nicht mehr die Krankheit, sondern der Kranke eliminiert.“ „Dreist“ nennt der Autor den Vergleich dieses die Frau hochbelastenden und wenig erfolgreichen Verfahrens der „Zeugung auf Probe“ mit der sog. „Schwangerschaft auf Probe“, dessen sich sowohl Ärztepräsident Professor Dr. Jörg Hoppe wie auch der Autor des Memorandums der Deutschen Ärztekammer Professor Hermann Hepp bedienten, um für PID zu plädieren. Denn, so stellt der Autor richtig, beide Herren ließen ganz bewusst außer Acht, „dass eine embryopathische Indikation der Abtreibung“ (nach PND) „nicht durch den § 218 gedeckt ist und deshalb als Tötungsdelikt geahndet werden muss“.

Bisherige Erfahrungen aus Ländern, in denen PID zugelassen ist, zeigten überdies, „dass der Druck zur Durchführung der PID nicht selten von den Männern ausgeht“, die „blind für die Lasten und Risiken“ seien, denen sich die Frauen durch dieses Selektionsverfahren – Ritter nennt es ‚PIS‘ – aussetzten. Sollten Frauen bei belasteten Paaren das Verfahren verweigern, würden sie künftig allein für möglicherweise auftretende Behinderungen der Kinder verantwortlich gemacht!

Vom „Durcheinander der Positionen“ bei der ersten PID-Abstimmung im Deutschen Bundestag am 14. April berichtet Stefan Rehder. Der behindertenpolitische Sprecher der Fraktion „Die Linke“ Dr. Ilja Seifert, seit einem Unfall im Kindesalter querschnittsgelähmt, stellt die wesentliche Frage: „Nehmen wir uns an oder sortieren wie einander aus?“ Gehe es bei PID doch „um unser humanes Selbstverständnis“! Glasklar auch der Beitrag von Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt. Betroffene Eltern hörten nicht gerne, dass es kein Recht auf ein gesundes Kind gebe. Aber das sei Inhalt der bis dato geltenden Gesetze.

Dagegen gibt es „ein Recht des Kindes… um seiner selbst willen geliebt zu werden und um seiner selbst willen zur Welt gekommen zu sein“. Eine wie auch immer geregelte Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) schränke das geltende „Prinzip“ ein, „dass jedes Leben sich um seiner selbst willen entwickeln darf“. Dies bedeute nicht nur eine Würdeverletzung derjenigen Embryonen, „die nach einer Untersuchung verworfen werden, weil sie ein hohes Risiko von schweren Erkrankungen oder Behinderungen aufweisen“, sondern verletze auch „die Würde desjenigen Embryos, der sich nach einer PID weiterentwickeln darf; denn er darf sich nur weiterentwickeln, weil er keine genetischen Vorbelastungen und Einschränkungen aufweist!“ Der Wunsch, mittels PID ein gesundes Kind zu bekommen, „setzt voraus, dass dem Leben, das nicht die entsprechenden Eigenschaften hat, das Recht genommen wird, sich weiterzuentwickeln.“ Dies beinhalte einen „Paradigmenwechsel in unserem Wertekanon“!

Im Leitartikel „Selbstmord auf Raten“ stellt Stefan Rehder klar: der Hintze-Flach-Entwurf mit einer weitreichenden Zulassung der Präimplantationsdiagnostik steht im Widerspruch zum Gendiagnostikgesetz. Eine darin vorgeschlagene Delegation der einzelnen PID-Anträge an Ethikkommissionen führe zu unterschiedlichen Praktiken und Entscheiden in den einzelnen Bundesländern. Sie würde höchstwahrscheinlich auch zu kassenspezifischen Differenzen führen; denn die der PID vorausgehende künstliche Befruchtung ist keine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen; und zwar nicht aus ethischen Gründen sondern deswegen, weil dieses Selektionsverfahren „ebenso teuer wie ineffizient“ ist.
So könne ein weltanschaulich neutraler Staat mit immer neuen Problemen konfrontiert und schließlich unregierbar werden. Prinzipien lohnen sich – ethisch, aber auch ganz praktisch beim Überleben des Staates.

Maria Overdick-Gulden

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