11.07.10: Kommentar zur Meldung des Ärzteblatts vom 22.06.10: „Europarats-Ausschuss will Regeln für Gewissensgründe bei Ärzten.“

Siehe dazu:

Europarats-Ausschuss will Regeln für Gewissensgründe bei Ärzten
Straßburg – Ein Ausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarates will Regeln für Ärzte festschreiben, die eine Behandlung aus Gewissensgründen verweigern.
AERZTEBLATT.DE 22.06.10

Kommentar von Dr. Maria Overdick-Gulden

Es müsse ein „Gleichgewicht“ hergestellt werden zwischen dem Recht des Arztes auf seine Gewissensfreiheit und dem Patientenrecht, in „angemessener Frist“ gesetzlich zulässig versorgt zu werden. Wo liegt das Problem?

Mit dieser verharmlosenden Einlassung als Plädoyer für eine „Gleichgewichtung“ versucht ein Ausschuss der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Ärzten Verhaltensregeln vorzuschreiben, wenn diese bei Patientenentscheiden zu Schwangerschaftsabbruch und Sterbehilfe in persönlichen Gewissenskonflikt geraten. Das ist offensichtlich gegen jene Ärzte gerichtet, die sich nicht ausschließlich als medizinische Leistungserbringer verstehen, sondern im Anspruch der vorgeburtlichen Kindestötung (Schwangerschaftsabbruch) und jedweder Form von Sterbehilfe ihr hippokratisches Berufsverständnis angefragt und das „Ja zum Leben“ bedroht sehen.

Im Entwurf heißt es, ärztliche „Gewissensprobleme“ müssten zurückstehen, wenn „Gesundheit oder Leben des Patienten“ bedroht seien. Nun, dann sind die angesprochenen Probleme am Lebensende gerade bei Ärzten mit hippokratischer Einstellung in guter Hand, sie achten Leben und Unantastbarkeit der Menschenwürde . Anders ist die Situation beim Schwangerschaftsabbruch, insbesondere bei der dort immer wieder zur Geltung gebrachten „Bedrohung der Gesundheit“, auch wenn diese nicht unmittelbar, sondern als eine „wahrscheinliche“/ „künftige“ geltend gemacht wird! Eine medizinisch vitale Indikation ist eine Tragödie, die ärztlichen Einsatz erfordert, um so viele Menschenleben zu retten, wie die tragischen Umstände dies zulassen. Anders die „wahrscheinlichen“ oder „vermuteten“ Gesundheitsbedrohungen bei Gravidität; sie lassen sich ärztlich auf lebensdienliche Weise lösen. ÄfdL bewahren schwangere Frauen damit ausdrücklich vor psychischen und physischen Folgeerkrankungen.

„Gewissen“ ist kein persönlicher Luxus oder pseudomoralische Besserwisserei, sondern ein Appell an die Autonomie der Person; sie dient der Verwirklichung eigener Überzeugung im Vollzug freiheitlicher Entscheidung – dies auch und gerade im freien ärztlichen Handeln. Diese individuelle Autonomie des Arztes in der Wahrnehmung seiner Berufspflicht zu schützen, ist vorrangige Verpflichtung des demokratischen Staates.

Soll hier etwa ein europäisches Demokratieverständnis anderer Art über eine nicht durch Wahl legitimierte EU-Instanz indoktriniert werden? Wird hier persönliches Gewissen politisch modifizierbar / manipulierbar gedacht? ÄfdL e.V. wird jeden Versuch solch diskriminierender Reglementierung auf europäischer Ebene in kritischer Aufmerksamkeit verfolgen und ihm widerstehen.