22.11.19: Urteil im Prozess um bei Geburt getöteten Zwilling: Bewährungsstrafen für Frauenärzte

Im Prozess um zwei Frauenärzte, die einen hirngeschädigten Zwilling bei der Geburt mit einer Kaliumchloridlösung getötet hatten (siehe unten), hat das Landgericht Berlin am 19.11.19 sein Urteil gefällt.

Die Leitende Oberärztin und der ehemalige, inzwischen pensionierte Chefarzt eines Berliner Klinikums wurden wegen Totschlags zu Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten bzw. einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Vollstreckung wurde jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil in dem umstritten Fall ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Es kann binnen einer Woche mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden. Es wird laut Medienberichten damit gerechnet, dass der Fall vor den Bundesgerichtshof (BGH) geht.

Minuten entscheiden zwischen „Schwangerschaftsabbruch“ und Totschlag – Bundesverband Lebensrecht fordert Politik zu konsequentem Schutz der Menschenwürde auf

Der Bundesverband Lebensrecht kritisierte in einer Pressemitteilung vom 20.11.19 das Urteil und forderte die Politik zu einem konsequentem Schutz der Menschenwürde auf.

„Gestern wurden zwei Mediziner zu Bewährungsstrafen verurteilt, weil sie ein Zwillingsmädchen mit schweren Hirnschäden bei der Kaiserschnitt-Geburt durch eine Injektion mit Kalium-Chlorid getötet hatten. Hätten sie das Kind unmittelbar vor Einleitung der Geburt mit einer Spritze durch die Bauchdecke getötet, also wenige Minuten vorher, wäre es ein legaler „Schwangerschaftsabbruch“ gewesen“, erklärte die Vorsitzende des BVL e.V., Alexandra Linder.

„Wenn die Staatsanwaltschaft während des Verfahrens konstatiert, dass bei Öffnen des Uterus während eines Kaiserschnitts aus dem Fötus ein Mensch wird, mag das von der Rechtslage her begründbar sein, zeigt aber die Perversität eben dieser Rechtslage: Der Fötus ist bereits ein Mensch, es gibt keinen magischen Geburtskanal und kein magisches Uterus-Öffnungsritual, bei dem ein Zellhaufen plötzlich zu einem Menschen mutiert. Minuten entscheiden zwischen „Schwangerschaftsabbruch“ und Totschlag. Minuten, in denen das Kind lediglich seinen Aufenthaltsort und die Art der Atmung verändert, ansonsten aber derselbe einzigartige Mensch ist wie unmittelbar vor der Geburt, drei Monate, sechs Monate oder acht Monate vor der Geburt“, so Linder.

Den Eltern sei insofern kein Vorwurf zu machen, als ihnen die Sachlage in dieser Extremsituation nicht bewusst war. „Mediziner, die einer Mutter anbieten, dafür zu sorgen, dass nur das gesunde Kind auf die Welt kommt, die ihr möglicherweise überhaupt keine Alternativen für das Leben des zweiten Mädchens angeboten haben, handeln verantwortungslos und inhuman“, kritisierte die BVL-Vorsitzende.

Der Richter sagte: „Ein Aussortieren eines kranken Kindes am offenen Mutterleib – das ist nicht hinnehmbar.“ So etwas sei auch ein Schlag ins Gesicht behinderter Menschen. „Er hat recht. Allgemein formuliert, muss dieser Satz lauten: Ein Aussortieren irgendeines Kindes zu irgendeinem Zeitpunkt im Mutterleib ist nicht hinnehmbar. Das ist ein Schlag ins Gesicht jedes Menschen.“ erklärte Linder.

Der Bundesverband Lebensrecht fordert die Politik dazu auf, angesichts dieses drastischen Falls die im Grundgesetz garantierte Menschenwürde und die Träger dieser Würde auch vor der Geburt konsequent zu schützen.

Weitere Informationen:

Bei Geburt getöteter Zwilling – Frauenärzte zu Bewährungsstrafen verurteilt
SPIEGEL Online 19.11.19

Totschlag im Mutterleib
In Berlin wurden zwei Gynäkologen zu Bewährungsstrafen verurteilt: Sie haben einen gesunden Zwilling entbunden, die behinderte Schwester danach mit Kaliumchlorid getötet. Der Richter spricht von einer „nicht hinzunehmenden Hybris“ der Ärzte.
Von Wiebke Ramm
SPIEGEL Online 19.11.19

Landgericht Berlin verurteilt zwei Berliner Frauenärzte wegen bewusster Tötung eines kranken Zwillingskindes während eines Kaiserschnitts zu Bewährungsstrafen
Pressemitteilung Landgericht Berlin vom 19.11.2019

06.11.2019: Gutachter im Prozess gegen Berliner Frauenärzte: Ein Leben für ein Leben

Ein Kind wurde entbunden, der Zwilling danach im Mutterleib getötet: Eine Ärztin und ein Arzt müssen sich deshalb wegen Totschlags vor Gericht verantworten. Nun ordnete ein Gutachter den Fall ein.

Mehr ausführlich auf Spiegel Online im Artikel „Ein Leben für ein Leben“ am 05.11.19

24.10.2019 Prozess um Tod eines Zwillings: War es eine Spätabtreibung oder Totschlag?

Am Berliner Landgericht sind zwei Gynäkologen angeklagt. Der Vorwurf: Sie sollen bei der Entbindung einen schwer erkrankten Zwilling getötet haben. Im Kern geht es um die Frage ob es eine Spätabtrebung oder Totschlag war. Über den Prozess berichteten der Berliner TAGESSPIEGEL am 23.10.19 und Spiegel Online am 22.10.19.

War es eine Spätabtreibung oder Totschlag?
Tagesspiegel 23.10.19

Tod eines Zwillings
Ein Kind wurde entbunden, der Zwilling danach im Mutterleib mit Kaliumchlorid getötet: In Berlin stehen eine Ärztin und ein Arzt wegen Totschlags vor Gericht. Sie sind sich keines Unrechts bewusst.
Spiegel online 22.10.19