06.02.19: Debatte um Paragraf 219a: Bundeskabinett verabschiedet Gesetzentwurf zum Werbeverbot für Abtreibungen

Vergangene Woche haben sich die Bundesministerien auf einen Gesetzentwurf für eine Reform des Werbeverbots für Abtreibungen geeinigt. Lebensrechtsorganisationen kritisierten das Papier scharf. Siehe z.B. die Pressemitteilung der Ärzte für das Leben e.V. vom 29.01.19.

Am 06.02.19 hat nun das Bundeskabinett den umstrittenen „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ verabschiedet. Schwangere in Konfliktlagen sollen demnach künftig einfacher an Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch gelangen. Zudem sollen Ärzte und Einrichtungen, die Abtreibungen durchführen, darüber informieren dürfen.

Wie es im Gesetzentwurf zum Problem und Ziel heißt, stelle § 219a des Strafgesetzbuches (StGB) anders als die Überschrift „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ nahelege, nicht nur werbende Handlungen unter Strafe. Bei Personen, die wegen eines eigenen Vermögensvorteils handeln, werde vielmehr schon die bloße Information darüber, dass sie einen nach § 218a Absatz 1 bis 3 StGB straflosen Schwangerschaftsabbruch durchführen, vom Straftatbestand erfasst, sofern dies öffentlich, etwa auf einer Praxiswebseite, in einer Versammlung oder durch das Verbreiten von Schriften geschieht.

Problem und Ziel des Gesetzentwurfs

„Für Frauen, die einen straffreien Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen wollen, kann es daher heute problematisch sein, Informationen über Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser und Einrichtungen zu erhalten, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Die betroffenen Frauen benötigen somit oftmals nach der Beratung noch zusätzliche Zeit, um eine Stelle ausfindig zu machen, wo der Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden kann“, heißt es im Gesetentwurf.

Neben der Beratung in den Beratungsstellen nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz seien heute Informationen und Bewertungen unterschiedlichster Qualität auch über das Internet breit verfügbar. „Angesichts der Sensibilität des Themas ist es geboten, dass neutrale, medizinisch und rechtlich qualitätsgesicherte Informationen auch von Seiten staatlicher oder staatlich beauftragter Stellen zur Verfügung stehen“, heißt es weiter.

Ziel des Entwurfs ist daher „die Verbesserung der Information von Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen sowie Rechtssicherheit für Ärztinnen, Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen.“ Gleichzeitig soll das Verbot der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch erhalten bleiben, „um das Rechtsgut des ungeborenen Lebens zu schützen.“

Inhalt des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Werbeverbot für Abtreibungen

  • Der § 219a StGB soll laut Gesetzentwurf der Bundesregierung in einem neuen Absatz 4 um einen weiteren Ausnahmetatbestand ergänzt werden. Danach dürfen Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen zukünftig auch öffentlich ohne Risiko der Strafverfolgung darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Sie sollen darüber hinaus weitere Informationen über einen Schwangerschaftsabbruch durch Hinweis – insbesondere durch Verlinkung in ihrem Internetauftritt – auf entsprechende Informationsangebote neutraler Stellen, die im Gesetz ausdrücklich benannt werden, zugänglich machen dürfen.
     
  • Außerdem soll durch eine Änderung im Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) sichergestellt werden, dass es zukünftig eine von der Bundesärztekammer zentral geführte Liste mit Ärztinnen und Ärzten sowie Krankenhäusern und Einrichtungen gibt, die mitgeteilt haben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche unter den Voraussetzungen des § 218a Absatz 1 bis 3 StGB durchführen. Diese Liste soll auch Angaben über die dabei jeweils angewendeten Methoden enthalten, von der Bundesärztekammer im Internet veröffentlicht und monatlich aktualisiert werden. Die Liste soll dann auch durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit weiteren Informationen veröffentlicht werden.
     
  • Des Weiteren sollen der bundesweit zentrale Notruf nach § 1 Absatz 5 Satz 1 SchKG (Hilfetelefon „Schwangere in Not“) sowie die Schwangerschaftsberatungsstellen und -konfliktberatungsstellen nach dem SchKG Auskunft über die in der Liste enthaltenen Angaben erteilen.
     

Als „Alternativen“ zum Gesetzentwurf heißt es, grundsätzlich könne der gegenwärtige Rechtszustand beibehalten werden, womit allerdings auch der „defizitäre Informationszugang für betroffene Frauen“ beibehalten würde. „Eine weitere Alternative wäre die ersatzlose Aufhebung des § 219a StGB. Dies würde ebenfalls dazu führen, dass Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhäuser und Einrichtungen über die Tatsache, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, öffentlich informieren könnten, ohne strafrechtliche Verfolgung befürchten zu müssen. Eine Folge wäre allerdings, dass auch das Anpreisen oder die grob anstößige Werbung für Schwangerschaftsabbrüche straffrei gestellt wäre. Dies würde Fragen zum gesetzgeberischen Schutzkonzept für das ungeborene Leben aufwerfen“, heißt es in dem Papier.

Anhebung der Altersgrenze für Anspruch auf Versorgung mit verschreibungspflichtigen empfängnisverhütenden Mitteln

Neben den Änderungen zu Informationen über Abtreibungen soll die Altersgrenze für Frauen, die Anspruch auf Versorgung mit verschreibungspflichtigen, empfängnisverhütenden Mitteln haben, von 20 auf das vollendete 22. Lebensjahr heraufgesetzt werden. Damit solle stärker als bisher gewährleistet werden, dass junge Frauen, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage, beispielsweise weil sie sich noch in Ausbildung befinden, die Kosten für empfängnisverhütende Mittel nicht aufbringen können, hierbei unterstützt werden.

„Die Regelung soll dazu beitragen, ungewollte Schwangerschaften zu verhindern und insbesondere jungen Frauen einen selbstbestimmten Umgang mit Mitteln der Empfängnisverhütung ermöglichen“, so die Begründung. Die Heraufsetzung der Altersgrenze soll auch für den Anspruch auf ärztlich verordnete nicht verschreibungspflichtige Notfallkontrazeptiva nach § 24a Absatz 2 Satz 2 SGB V gelten.

Ausweitung der Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten zu Methoden des Schwangerschaftsabbruches

Am Tag des Kabinettsbeschlusses gab das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) weitere geplante Neuerungen für Ärztinnen und Ärzte bekannt bekannt. „Ergänzend zu den gesetzlichen Änderungen soll die Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten zu Methoden des Schwangerschaftsabbruches fortentwickelt und ausgeweitet werden. Um die Versorgungslage in diesem Bereich zu verbessern, sind entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen erforderlich. Das Bundesgesundheitsministerium wird hierzu bis Ende 2019 konkrete Vorschläge vorlegen“, heißt es auf der Webseite des BMJV. Das dürfte für weiteren Zündstoff sorgen.

Zudem will das Bundesgesundheitsministerium eine Studie zu „seelischen Folgen“ von Schwangerschaftsabbrüchen vornehmen lassen. So stand es im Eckpunktepapier der Ministerien zum Gesetzenwurf. Der Plan stieß bei Grünen, Linken und SPD jedoch auf breite Kritik. Im Gesetzentwurf selbst wird die Studie nicht mehr erwähnt. Doch laut der Katholischen Nachrichtenagentur KNA verteidigt die CDU das Ansinnen. Man gehe davon aus, dass die Studie parallel zum Gesetzentwurf zu Paragraf 219a in die Wege geleitet werde, so ein Sprecher des unionsgeführten Ministeriums am 31.01.19.

Ergänzende Informationen:

Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch und diverse Stellungnahmen
Informationen des Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV)

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