Längst fällige Bioethikdebatte: Wie viel Mensch im Tier ist „zulässig“? – Hat das Embryonenschutzgesetz eine „Regelungslücke“?

Wieder einmal hinkt die Ethik dem biotechnischen „Fort-Schritt“ hinterher. 2008 hatten britische Forscher Misch-Embryonen geschaffen, die zu über 99% menschlicher, in einem Bruchteil tierischer Genese waren. Um in der Petrischale Stammzellen für Forschungszwecke zu erhalten, die nicht aus der Zerstörung von Menschenembryonen stammten, hatte man den Zellkern einer menschlichen Hautzelle in eine entkernte Rinderzelle eingebracht, die dann mittels eines elektrischen Impulses zu einem zytoplasmatischen Hybrid („Zybrid“) – als künftigem Stammzellspender – heranwuchs.

Dreieinhalb Jahre danach befasst sich jetzt der Deutsche Ethikrat in Berlin mit dem Problem solcher und ähnlicher Mischwesen: Hybriden, Cybriden und Chimären. Ende September erschien seine Stellungnahme zum Umgang mit „Mensch-Tier-Mischwesen in der Forschung“ auf 98 Seiten.

Obwohl schon seit etwa 1989 solche Technologien zum wissenschaftlichen Alltag gehören (vgl. „Knock-out-Mäuse“), stellt sich jetzt drängend die Frage, ob das damit geschaffene wissenschaftliche Potential künftig zu weiteren, ethisch nicht mehr vertretbaren Praktiken führen könnte und wie dies gesetzlich zu verhindern sei.

Zu den Definitionen:

Als Chimäre wird ein Organismus bezeichnet, der Gewebe verschiedener genetischer Herkunft und damit unterschiedlicher Zusammensetzung enthält. Auf zellulärer Ebene sind hier die Erbinformationen jedoch nicht vermischt. Beispiele: Eine Mensch.-Mensch-Chimäre entsteht bei der Organtransplantation, auch bei einer Bluttransfusion; eine Mensch-Tier-Chimäre beim Herzklappenersatz durch Gewebe tierischer Herkunft („Schweineklappen“).

Hier ergibt sich für die Forschung im Bereich Alzheimer und M. Parkinson Zweifel: dürfen solche Untersuchungen an Primatenhirnen weiter geführt werden; müssen sie einer strengen staatlichen Kontrolle unterworfen werden?

Transgene Tiere sind Lebewesen, deren Erbgut durch einen technischen Eingriff verändert wird: in den Zellkern wird artfremdes oder künstliches Erbgut eingeschleust oder es werden einzelne Gene gezielt ausgetauscht (Beispiel: Knock-out-Mäuse).

Hybriden sind dadurch charakterisiert, dass in jeder Körperzelle fremdes und ursprünglich-eigenes Erbgut vermischt ist. In der Natur oder in der Zucht entsteht ein Hybrid bei Verschmelzung der Keimzellen von zwei verschiedenen Arten (Produkt-Beispiele sind Maultier, Maulesel).

Nach dem ESchG ist nach § 7 die Vermischung von menschlichen mit tierischen Keimzellen verboten.

Cybride (= Zytoplasmatische Hybriden) entstehen durch Entkernung einer Eizelle und Einfügen des Zellkern eines anderen Lebewesens in diese. Keimzelle und Zellkern stammen also von unterschiedlichen Lebewesen derselben oder einer verschiedenen Art. Die mitochondrale DNS der Zellflüssigkeit stammt dabei von der entkernten ‚Spenderzelle‘. Ist eine solche Mischung beim Menschen ethisch vertretbar und zulässig? Bei dieser Frage gibt es im Ethikrat bislang keinen Konsens.

So wollte man bisher für die Stammzellherstellung auf menschliche „Eispenden“ verzichten und diese durch Kuheier ersetzen. Noch hatten diese Experimente keinen Erfolg.

Der Sprecher der Arbeitsgruppe Mensch-Tier-Zwischenwesen beim Deutschen Ethikrat, Wolf-Michael Catenhusen äußert sich so: „Die Forschung an Mensch-Tier-Mischwesen hat eine Perspektive, die grundlegende Fragen des menschlichen Selbstverständnisses berühren… Lassen wir jetzt einfach die Forschung weitermachen oder versuchen wir doch schon frühzeitig zu zeigen, dass es bestimmte Grenzen gibt, bei der die Gesellschaft auch Erwartungen hat, dass die von der Wissenschaft auch notfalls durch Verbote nicht überschritten werden.“