23.01.24 PM: Ein Kind kann kein Schaden sein: Ärzte für das Leben e.V. warnen vor den Konsequenzen eines neuen Urteils des Obersten Gerichtshofs in Österreich
Münster 23.01.24 – Kürzlich wurde ein Urteil des Obersten Gerichtshofs in Österreich vom 21. November 2023 bekannt, dass das Konzept eines „Kind als Schaden“ erheblich stärkt. Ärzte für das Leben e.V. sind über dieses Urteil bestürzt und warnen vor seinen Auswirkungen auf die künftige Rechtsprechung und die medizinische Versorgung auch in Deutschland in diesem Bereich.
Der beklagte Frauenarzt hatte sowohl beim Erst-Trimester-Screening eines weiblichen Kindes in der 8. Lebenswoche als auch bei einer 3-D-Ultraschallunterschung in der 20. Lebenswoche übersehen, dass der linke Arm samt zugehöriger Muskulatur fehlte. Der Defekt, welcher vom Gericht als eine „schwerwiegende Behinderung“ angesehen wurde, fiel erst beim Kaiserschnitt auf. Laut Urteil hat der Arzt die Ultraschalluntersuchung nicht „lege artis“, also nach den Regeln der Kunst, durchgeführt.
Die klagenden Eltern machten geltend, dass sie das Kind bei Bekanntwerden des Defekts in der 8. Lebenswoche im Rahmen der österreichischen Fristenlösung abgetrieben hätten. Wäre er später entdeckt worden, hätten sie versucht, auf Grund der „diskutablen“ Ausnahmeregelungen für Spätabtreibungen das Kind abzutreiben. Notfalls wären sie hierfür ins Ausland gefahren.
Das Gericht bestätigte nun die Entscheidungen der unteren Instanzen, dass der Arzt nicht nur für den durch die Behinderung entstandenen Pflegemehraufwand, sondern für den gesamten Unterhalt des Kindes inklusive Pflegekosten von der Geburt bis zur „Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes“ aufzukommen habe.
Diese Entscheidung sei nicht mit einem „negativen Werturteil über das Kind“ verbunden. Vielmehr ergebe sich die Tatsache, dass „die wirtschaftliche Belastung erst durch die Existenz des Kindes ausgelöst werde … aus einem naturwissenschaftlichen Zusammenhang, der für sich genommen wertfrei“ sei. Bedenken, dass mit Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs durch die Eltern dem Kind „drastisch die Unerwünschtheit vor Augen geführt“ werde, seien unberechtigt. Im Gegenteil sei zu befürchten, dass das Mädchen die mangelnde Akzeptanz noch mehr zu spüren bekomme, wenn die Eltern die finanzielle Belastung zu tragen hätten.
Einschüchternde Wirkung auf die gesamte vorgeburtliche Diagnostik
„Diese Argumentation des Gerichts als kryptisch zu bezeichnen, ist eine Untertreibung“, sagte der Vorsitzende des Vereins Ärzte für das Leben e.V., Prof. Paul Cullen, heute in Münster. „Denn von welchem „wissenschaftlichen Zusammenhang“ sprechen die Richter? Hier offenbart sich der ganze Widerspruch in der Abtreibungsgesetzgebung: Ist diese erst freigegeben, sind Werturteile obsolet, denn man hat schon entschieden, dass die abgetriebenen Kinder nicht wertvoll genug sind, um geboren zu werden. Die Gründe hierfür sind letztlich sekundär, wenn auch eine zweite Tragik darin liegt, dass eine Missbildung des Kindes als ein im Rahmen eines sonstigen Schadenersatzes einklagbarer Grund angesehen wird, ein Kind abzutreiben“, so Cullen.
„Im Übrigen wird dieses Urteil eine einschüchternde Wirkung auf die gesamte vorgeburtliche Diagnostik ausüben, die noch mehr in Richtung defensiver Medizin verschoben wird. Auch wird es natürlich dem Konzept Nahrung geben, dass ein Kind ein Schaden sein kann und ein behindertes Kind erst recht, aller Kasuistik des Gerichts zum Trotz. In einer Welt, in der die Inklusion zu Recht großgeschrieben wird, kann eine solche Entwicklung niemanden freuen“, so das Fazit des ÄfdL-Vorsitzenden.
Ergänzende Informationen:
Verstärkter Senat zu „wrongful birth“ und „wrongful conception“
OGH verst. Senat | 3 Ob 9/23d | 21.11.2023 | Urteile und Beschlüsse des OGH