14.06.23: BVL: Der assistierte Suizid bietet keine Lösung, sondern verstärkt den Druck
Am 13.06.23 haben zwei interfraktionelle Gruppen eine Zusammenlegung ihrer zwei Gesetzentwürfe zum assistierten Suizid vorgelegt. Der vereinigte Gesetzentwurf soll noch vor der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet werden. Die Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht e.V. (BVL), Alexandra Maria Linder, kritisierte den Entwurf in einer Pressemitteilung vom 14.06.23. Mit dieser Taktik sei die weitgehende Legalisierung der begleiteten Selbsttötung noch wahrscheinlicher.
„Besonders bedenklich ist das Vorhaben neben allen bekannten Kritikpunkten auch angesichts der demographischen Lage in Deutschland: In einer Situation, in der Pflegekräfte fehlen, Pflegeplätze fehlen, staatliche soziale Institutionen finanziell bereits zusammengebrochen sind, haben bisher lediglich 17 Prozent der deutschen Kliniken eine Palliativstation. Die Versorgung älterer Kassen-Patienten und der Umgang mit ihnen in Arztpraxen und Krankenhäusern ist ebenfalls sehr kritikwürdig. Es fehlen außerdem Hospize, mobile palliative Teams und vieles mehr, um Menschen in diesen Lebenssituationen angemessen zu versorgen und zu begleiten“, so Linder.
Für die betroffenen Menschen, die an ihrem Lebensende und/oder in besonders schwierigen Lebenssituationen sind, sei dies das völlig falsche Signal. Der assistierte Suizid biete ihnen keine Lösung an, sondern ihren Tod. „Es verstärkt den Druck auf sie, insbesondere, wenn die genannten Alternativen fehlen. Statt menschenwürdiger, zuwendender Versorgung bis an das Lebensende, statt Unterstützung, um aus ihrer Situation herauskommen zu können, wird ihnen eine absichtliche Verkürzung ihres Lebens angeboten. Die angebliche Autonomie, die mit Begriffen wie sogenanntem Freitod und Bilanzsuizid hantiert, existiert in der Lebenswirklichkeit nicht, wie die Suizidforschung vielfach nachweist“, gab Linder zu bedenken.
Steigender Druck auf die Menschen
In der Folge werde der Druck auf Menschen in dieser Situation steigen. „In den Niederlanden äußert ein größerer Anteil von Menschen am Lebensende den Wunsch zu sterben nicht, weil sie selbst sterben wollen, sondern weil „die Angehörigen es nicht mehr ertragen können“. Im US-Bundesstaat Oregon wird der assistierte Suizid regulär finanziert, während viele Operationen nicht bezahlt werden. Auch solche Zustände erschweren wirklich freie Entscheidungen“, so die BVL-Vorsitzende.
Erstaunlicherweise böten diese Gesetzentwürfe außerdem genau das an, was im Bereich der Abtreibung gerade wegen angeblicher Bevormundung und angeblichen Informationsverbots abgeschafft wurde oder werden soll: eine Beratung und ein Werbeverbot.
„Ein humaner Rechtsstaat muss es aushalten, wenn Menschen sterben wollen und ihrem Leben selbst ein Ende setzen. Er muss jedoch alles dafür tun, dies durch die Unterstützung engagierter Angehöriger, durch lebensbejahende Angebote und individuelle Hilfe zu verhindern. Und er darf keinesfalls irgendetwas tun, um die Tötung von Menschen zu billigen und zu fördern, was mit diesem Gesetz, wie auch immer es gestaltet wird, der Fall wäre“, erklärte Linder abschließend.
Weitere Informationen:
Suizidbeihilfe: Liberale Gesetzentwürfe fusioniert
Aerzteblatt.de 13.06.23
Reinhardt kritisiert Zeitplan für Suizidbeihilfeneuregelung
Aerzteblatt.de 14.06.23
Suizidbeihilfe: Fachgesellschaft übt Kritik am fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurf
Aerzteblatt.de 16.06.23
Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben undzur Regelung der Hilfe zur Selbsttötung sowie zur Änderung weiterer Gesetze
Zusammengeführter Gesetzentwurf
der Abgeordneten Katrin Helling-Plahr, Renate Künast, Helge Lindh, Dr. Nina
Scheer, Dr. Petra Sitte, Lukas Benner, Dr. Till Steffen und weiterer Abgeordneter
Vorgestellt am 13.06.23 (27 Seiten, PDF-Format)