25.03.20: Coronavirus-Krise: Ärzte fordern Lockerungen bei Abtreibungsregelungen

Vor dem Hintergrund der Coronavirus-Krise fordern AbtreibungsbefürworterInnen eine Lockerung der gesetzlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch. Als Argumente führen sie Medienberichten zufolge unter anderem eine mögliche Zunahme häuslicher sexueller Gewalt mit möglichen unerwünschten Schwangerschaften und geschlossene Grenzen zu Nachbarländern an.

In einer gemeinsamen Erklärung wenden sich die Netzwerke Doctors for Choice und Pro Choice, der Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Familienplanung Pro Familia daher an die Bundesregierung und Landesregierungen sowie die Kassen (siehe Pressemeldungen unten).

BVL: „Eine Pandemie auszunutzen, um seine Ideologie voranzutreiben, ist an Zynismus kaum zu überbieten.”

Kritik an dem Vorstoß kam von der Vorsitzenden des Bundesverbandes Lebensrecht e.V. (BVL), Alexandra Linder. „Wir tun zur Zeit zu Recht alles, um gefährdete Menschenleben zu schützen. Der Lebensschutz, der eigene Verzicht für das Leben anderer hat oberste Priorität. Abtreibungsvereinen wie Pro Familia und weiteren kleinen Gruppierungen, die von Pro Familia-Aktivisten gegründet werden und in der Regel aus wenigen, häufig denselben Personen bestehen (Doctors for choice; Prochoice Deutschland), geht es jedoch nur darum, in einer Risikosituation ihre frauenverachtende Ideologie durch die Hintertür durchzubringen“, erklärte Linder in einer Presseaussendung vom 24.03.2020.

Zunächst sei es verwunderlich, darauf hinzuweisen, dass Frauen momentan der illegale Weg in die Niederlande und nach Großbritannien für Abtreibungen nach der 12. Woche verwehrt ist. „Das bedeutet, dass entweder die Beratung von Pro Familia versagt oder der Verein diesen Weg unterstützt und empfiehlt, also illegal arbeitet. Des weiteren stellen viele Frauen erst in der 6./7. Schwangerschaftswoche fest, dass sie schwanger sind. Mifepriston darf nur bis zum 63. Tag genommen werden, also bis zum Ende der 7. Schwangerschaftswoche. Gerade jetzt, in einer besonderen Krisensituation, will man auf echte Beratung verzichten, auf die Schnelle eine Telefonberatung oder Videokonferenz anbieten und die Abtreibungspille besorgen”, kritisierte die BVL-Vorsitzende.

Physische und psychische Gesundheit wird aufs Spiel gesetzt

Neben der Tatsache, dass man die Kinder vollständig missachte und die Frauen mit ihren wirklichen Problemen im Stich lasse, werde deren physische und psychische Gesundheit aufs Spiel gesetzt. „Dazu gehören Risiken für Raucherinnen ebenso wie Wechselwirkungen mit Medikamenten, Blutungen und weitere mögliche, auch schwere Nebenwirkungen. Ohne genaue Untersuchung, Feststellung des Kindesalters und Befragung sollen Frauen übereilt Abtreibungs-Tabletten nehmen und warten, bis ihr Kind mangels Versorgung tot ist, um es dann mit Prostaglandinen aus ihrem Körper zu bringen”, so Linder.

Die in der Pressemeldung zitierte Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfehle, dass Mifepriston „unter Aufsicht“ eingenommen werden und die Einnahme der Prostaglandine zu Hause nur möglich sein solle, wenn die verantwortliche Einrichtung gut erreichbar sei. „Genau das aber ist angeblich ja zur Zeit in Deutschland nicht gegeben, würde also das Risiko erhöhen”, warnte Linder.

„Ebenso frauenfeindlich ist es, darauf hinzuweisen, dass die häusliche Gewalt angesichts der Ausgangsbeschränkungen steigen werde und man als Lösung des Problems Abtreibungen erleichtern müsse. Danach schickt man die Frauen wieder nach Hause, in dieselbe Gewaltsituation, bis sie zur nächsten Abtreibung kommen”, erklärte Linder. Es sei „unfassbar“, dass niemand nachfragt, warum diese Vereine den Frauen nicht wirklich helfen, nämlich ihre Lebenssituation verbessern wollen.

„Eine Pandemie auszunutzen, um seine Ideologie voranzutreiben, ist an Zynismus kaum zu überbieten. Die Behauptung, Frauen würden massenhaft zu Kleiderbügeln greifen, um selbst abzutreiben, und dabei sterben, ist eine längst entlarvte Lüge. Eine Abtreibung ist keine, wie es behauptet wird, notwendige „Notfallbehandlung“, die laut Definition Menschenleben rettet. Sie ist ein Vorgang, bei dem Menschenleben vernichtet werden. Dies gleichzusetzen und keine humane und echte Lösung für Frauen und Kinder anzubieten, verrät den Geist derer, die solche Forderungen stellen, und widerspricht dem Geist, der in der Gesellschaft wichtiger ist denn je: sich selbst ein wenig einzuschränken, um Menschenleben zu retten”, so die BVL-Vorsitzende.

CDL: Abtreibungsbefürworter versuchen derzeitige Notlage für ihre wirtschaftlichen Interessen zu nutzen

Kritik kam auch von den Christdemokraten für das Leben (CDL). „Das Vorpreschen von Abtreibungsanbietern, -ärzten und auch Pro Familia legt offen, dass hier auch wirtschaftliche Interessen eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Denn die an diesem Bündnis Beteiligten profitieren mit ihren umfangreichen täglichen Abtreibungs- und Beratungsangeboten maßgeblich von den über 42 Millionen Euro jährlich, die der Staat für die Übernahme der Abtreibungskosten aufwendet. Ganz offensichtlich fürchtet man nun finanzielle Einbußen“, erklärte die CDL-Vorsitzende Mechthild Löhr in einem Kommentar auf der CDL-Webseite am 24.03.2020.

Ausgerechnet in der derzeitigen Ausnahmesituation der Corona-Epidemie, in der die Gefahr übereilter Entscheidungen besonders groß ist, Abtreibungen „zuhause“ und im Schnellgang zu fordern, sei „ethisch erbärmlich und medizinisch ebenso unverantwortlich“.

Bundesfamilienministerin Giffey verkündet Ausnahmeregelung

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat unterdessen laut Newsletter der Aktion Lebesnrecht für Alle e.V. (ALfA)vom 27.03.20 verkündet, dass Schwangerschaftskonfliktberatung in Zeiten der Corona-Virus-Pandemie auch online und per Telefon möglich seien. Das berichtete demnach die katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“. Eine Beratungsbescheinigung zur Fristwahrung könne per E-Mail oder per Post versendet werden. Ein persönliches Erscheinen der Schwangeren bei einer Beratungsstelle sei nicht erforderlich. Darauf habe sie sich mit den Gleichstellungs- und Frauenministern der Länder geeinigt, erklärte Giffey auf ihrer Facebook-Seite.

Angesichts des Corona-Virus gelte es, „dem berechtigten Schutzinteresse der Beratungsfachkräfte Rechnung zu tragen“. Zugleich dürfe man schwangere Frauen in Not- und Konfliktsituationen nicht alleine lassen. In ihrem Ministerium seien in den letzten Tagen zahlreiche Anfragen von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und deren Trägern eingegangen, die wissen wollten, „wie sie in der gegenwärtigen Situation, in der persönliche Kontakte auf ein Minimum reduziert werden sollen und müssen, eine Schwangerschaftskonfliktberatung mit einer ratsuchenden schwangeren Frau gesetzeskonform durchführen können“, begründete Griffey die Entscheidung.

Ergänzende Informationen:

„Schwangerschaftsabbrüche in Zeiten der Corona-Krise“
Pressemitteilung von Doctors for Choice Germany vom 22.03.20

Coronavirus-Krise: Ärzte fordern Lockerungen bei Schwangerschaftsabbrüchen
SPIEGEL 23.03.20

Schwangerschaftsabbrüche und Corona: „Blutungen bis zum Tod“
Ärzt:innen schlagen Alarm: Durch die Corona-Krise werde der Zugang zu Abbrüchen so erschwert, dass ungewollt Schwangere in Gefahr sind.
TAZ 23.03.20

Abtreibungsbefürworter versuchen derzeitige Notlage für ihre wirtschaftlichen Interessen zu nutzen
Kommentar zu Forderungen des „Pro Choice Bündnis“ von Mechthild Löhr, Bundesvorsitzende Christdemokraten für das Leben (CDL), 24.03.20