Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Martinskirche in Kassel haben der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, am Samstag, 29. April 2017, die Woche für das Leben eröffnet. Sie findet bundesweit vom 29. April bis 6. Mai 2017 statt.
Unter dem Jahresthema: „Kinderwunsch – Wunschkind – Designerbaby“ setzt sich die diesjährige Woche für das Leben mit den Wünschen nach einer sorgenfreien Schwangerschaft, einer glücklichen Geburt, einem gesunden Kind und einem guten Heranwachsen des Kindes auseinander.
Kardinal Reinhard Marx sprach laut gemeinsamer Pressemitteilung der beiden Kirchen vom 29.04.17 in der thematischen Hinführung im Gottesdienst davon, dass Kinder „kleine Wunder“ und deshalb für viele Menschen aus einer gelungenen Lebensplanung kaum wegzudenken sind. Wenn der Kindersegen jedoch ausbleibe oder die Sorge um das ungeborene Kind übermächtig werde, dann „hat niemand das Recht, über die Paare in solchen Zerreißproben selbstgerecht zu urteilen“, so Kardinal Marx.
Die heutige Medizin biete eine ganze Reihe von Handlungs- und Behandlungsmöglichkeiten an, „die auch Fragen aufwerfen und Bedenken auslösen. Sei es, weil sie eine erhebliche Belastung für die Behandelten mit sich bringen, sei es, weil sie unter ethischer Perspektive Grenzen überschreiten, oder sei es, weil sie für die Betroffenen und nicht zuletzt für die weitere Entwicklung der Kinder unabsehbare Konsequenzen nach sich ziehen.“
Im Ringen um einen wirklichen Fortschritt gelte es, „den klaren Blick für die drohenden Verhängnisse zu bewahren, die sich aus der Anwendung von Technik ergeben können. Oft genug sind Menschen zu Opfern einer rücksichtslosen und gewalttätigen Technisierung von Lebensbereichen geworden. Diese Erfahrung drängt zu besonderer Vorsicht, zumal, wenn es um die Entwicklung und Entfaltung menschlichen Lebens geht.“ Auch jenseits von Präimplantationsdiagnostiken, in deren Folge Embryonen aussortiert, wissenschaftlich verzweckt und schließlich vernichtet werden und die sich verbieten, gelte es, „der technischen Machbarkeit nicht blind zu vertrauen. Letztlich ist immer daran zu erinnern, dass Kinder ein Geschenk und das menschliche Leben auch Geschick ist.“
Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm wies in seiner Predigt im Gottesdienst darauf hin, dass mit den modernen medizintechnischen Entwicklungen eine tiefe Ambivalenz verbunden sei. „Möglicherweise stecken die größten Gefahren der Nutzung der neuen Biotechnologien nicht in der bewussten Konstruktion von neuen Menschen, die manche als Frankenstein-Horrorvisionen an die Wand malen. Möglicherweise ist das viel Gefährlichere die schleichende Verfügbarmachung des Lebens, die Verbindung von Biotechnologie mit der modernen Konsumkultur.“
Es bestehe heute etwa die Möglichkeit, auf Internetseiten internationaler Fortpflanzungskliniken anhand der Persönlichkeitsprofile der Spenderinnen die gewünschten Eizellen für eine künstliche Befruchtung auszuwählen und zu erwerben. Die meisten Menschen, die diese Angebote nutzten, hätten eine Leidensgeschichte ersehnter Elternschaft hinter sich. Trotzdem müssten hier Grenzen geachtet werden. Ein Umgang mit menschlichem Leben als Ware widerspräche einer Sozialkultur, in deren Zentrum die Würde des Menschen steht. Der Kern des Würdebegriffs schließe jede Instrumentalisierung und Ökonomisierung aus, unterstrich der Ratsvorsitzende. „Es hat seine guten Gründe, dass das deutsche Embryonenschutzgesetz gegenüber der Verzweckung menschlichen Lebens eine klare Sperre einbaut.“
An dem ökumenischen Eröffnungsgottesdienst in Kassel mit zahlreichen Teilnehmenden aus Gesellschaft, Politik, Bildung, Medizin und Religionsgemeinschaften wirkten außerdem Bischof Martin Hein (Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck) und Bischof Heinz Josef Algermissen (Bistum Fulda) mit.
Erstmalig fand bereits am Vortag der Eröffnung am 28.04.17 ein Schülertag mit sieben Workshops zum Jahresmotto „Kinderwunsch – Wunschkind – Designerbaby“ in der CROSS Jugendkulturkirche Kassel statt. 104 Schülerinnen und Schüler aus der Oberstufe setzten sich einen Tag lang intensiv mit diesem aktuellen Jahresthema auseinander.
Hintergrund zum Schwerpunktthema der Woche für das Leben 2017:
Bei der Woche für das Leben geht es in diesem Jahr um Themen wie Zeugung, Schwangerschaft und Geburt und die damit zusammenhängenden Fragen der reproduktionsmedizinischen Techniken und der diagnostischen Verfahren zum Erkennen genetischer Defekte und Krankheiten vor Implantation oder Geburt. Außerdem werden aktuelle Diskussionen unter anderem zur Veränderung der DNA eines Menschen (Genome Editing) und zum Einfrieren von Eizellen (Social Egg Freezing) behandelt. Hierbei stellen sich vielfältige ethische Fragen, etwa die nach dem Umgang mit „überzähligen“ Embryonen, nach dem möglichen Auseinanderfallen biologischer, rechtlicher und sozialer Elternschaft oder die nach der Gefahr von Selektionen. Die immer wieder diskutierte Öffnung der mit dem deutschen Embryonenschutzgesetz aufgewiesenen klaren Grenzen ist eine mit der Thematik verbundene ethische Herausforderung und steht im Mittelpunkt der diesjährigen Woche für das Leben.
Die Woche für das Leben setzt sich für ein „Ja“ zum Leben ein. Dabei sind gerade auch die schwierigen Lebenssituationen im Blick, in denen Paare stehen, die sich sehnlichst ein Kind wünschen oder sich um die Gesundheit ihres noch ungeborenen Kindes sorgen. Den Seelsorgern begegnen vielfach Menschen, die über verschiedene Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin nachdenken und vor wichtigen Entscheidungen stehen. Bei diesen Überlegungen möchten die Kirchen Gespräch und Orientierung anbieten.
Die „Woche für das Leben“ ist seit mehr als 20 Jahren die ökumenische Aktion der evangelischen und katholischen Kirche für den Schutz und die Würde des Menschen vom Lebensanfang bis zum Lebensende.
Themenheft, Info-Flyer und weitere Informationen zur Woche für das Leben stehen unter www.woche-fuer-das-leben.de zur Verfügung.