Auf folgenden Seiten informieren wir über die Entwicklung des menschlichen Embryos. Wir nutzen dafür den Fachbeitrag von Prof. DDr. Dr. h.c. Günter Rager (veröffentlicht bei der 21. Jahrestagung unseres Vereins am 4. Juni 2016 in Fulda und in der Zeitschrift Lebensforum Nr. 120 vom 4. Quartal 2016). Der Autor ist ehemaliger Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Anatomie, Histologie und Embryologie sowie Direktor des Instituts für Anatomie und spezielle Embryologie der Universität Fribourg.
Gibt es Grenzen in der frühen Entwicklung des Menschen?
Vortrag von Prof. DDr. Dr. h.c. Günter Rager, Fribourg, Schweiz als PDF-Dokument
Gibt es Grenzen in der frühen Entwicklung des Menschen?
Von Professor Dr. Günter Rager
Gibt es in der Entwicklung des menschlichen Embryos eine Grenze, an der von einer Sache zu einer Person oder, um mit Robert Spaemann zu sprechen, aus einem „Etwas“ zu einem „Jemand“ wird? Um diese Frage zu beantworten, werde ich im ersten Teil die wichtigsten Ereignisse während der ersten 8 Wochen der Embryonalentwicklung schildern. Im zweiten Teil werde ich einige Grenzziehungen nennen, an denen der Übergang zur schutzwürdigen menschlichen Person geschehen soll. Ich werde sie auf ihre Stichhaltigkeit hin prüfen. Im dritten Teil schließlich werde ich Ihnen philosophische Überlegungen zur Frage nach dem ontologischen Status des Embryos präsentieren.
1 Wichtige Ereignisse während der ersten acht Wochen der Embryonalentwicklung
1.1 Fertilisation (Stadium 1)
Beginnen wir mit der Fertilisation. Sie ist ein kontinuierlicher Prozess, der etwa 24 Stunden dauert. Wenn das Spermium die Zona pellucida durchdringt, fusionieren die Zellmembranen von Spermium und Ooczyte. Diese Fusion löst eine Membrandepolarisation aus und triggert eine Calcium-Welle, die sich über das ganze Zytoplasma der Oozyte ausbreitet. Die Zunahme der Calcium Konzentration veranlasst die Oozyte, die 2. Reifeteilung zum Abschluss zu bringen und das Entwicklungsprogramm zu starten, welches nach übereinstimmender Ansicht der Embryologen zur Embryogenese (1) führt. Die Oozyte wird aktiviert. Das Spermium dringt in die Oozyte ein (2).
Am Ende der 2. Reifeteilung, etwa 16 Stunden nach Beginn der Fertilisation, wird einer der beiden haploiden, durch das Crossing-over verschiedenen Chromosomensätze der Oozyte mit dem zweiten Polkörper ausgestoßen. In der Oozyte verbleiben zwei haploide Chromosomensätze, die sich im männlichen und im weiblichen Vorkern (Pronucleus) befinden (Pronucleus-Stadium). Mit dem Abschluss der 2. Reifeteilung und dem Ausstoßen des zweiten Polkörpers ist die genetische Einzigartigkeit des neu entstandenen Menschen festgelegt.
Während der folgenden Phase, die ungefähr 6 Stunden dauert, wandern die beiden Pronuclei aufeinander zu. Während der Wanderung verdoppeln sie ihre Chromosomensätze (Synthese- oder S-Phase). Bei der Annäherung lösen sich ihre Kernmembranen auf. Es entsteht aber kein gemeinsamer Kern. Vielmehr ordnen sich die Chromosomen in einer gemeinsamen Mitosespindel an. Es beginnt sodann die erste Furchungsteilung. Nach der Entstehung von zwei Tochterzellen spricht man vom Blastomerenstadium.
1.2 Blastomerenstadium (Stadium 2)
In der Folge teilen sich die Zellen weiter, ohne dass sich zunächst das Volumen der Oozyte änderte (Blastomerenstadium (3)). Die Tochterzellen werden durch die Zona pellucida zu einem einheitlichen Verband zusammengehalten Es ist anzunehmen, dass in dem von der Zona pellucida umschlossenen Raum ein von außen verschiedenes Stoffwechselfeld besteht. Für die ersten beiden Zellteilungen genügt die normale DNA-Synthese. Für die anlaufende Proteinsynthese reichen noch die Reserven an mütterlicher Boten-RNA (mRNA), an Ribosomen, Transfer-RNA (tRNA) und Vorläuferproteinen, welche die Oozyte vor der Befruchtungskaskade angereichert hat. Die Aktivierung der mütterlichen mRNA erfolgt durch die Fertilisation, die Aktivierung des embryonalen Genoms wird erst zwischen dem 4-und 8-Zellstadium beobachtet; sie ist wesentlich sowohl für die Proteinsynthese als auch für den Fortgang der Zellteilungen (4).
Der neu entstandene Organismus agiert bereits als eine Einheit. Er sendet an den mütterlichen Organismus wichtige Signale, die den embryo-maternalen Dialog einleiten und zur Synchronisierung und Feinabstimmung des embryonalen und des mütterlichen Systems beitragen. Eines dieser Signale, der Early Pregnancy Factor, der schon wenige Stunden nach der Fertilisation von der Zygote ausgeschieden wird, verhindert, dass der Embryo bei der Einnistung als Fremdkörper abgestoßen wird (5). Andere embryonale Signale wie etwa das humane Choriongonadotropin (HCG (6)) führen zur Erhöhung der Progesteronproduktion bei der Mutter, wodurch die Aufrechterhaltung der Schwangerschaft gewährleistet wird. Der mütterliche Organismus stellt sich auf Grund dieses Dialogs auf Schwangerschaft um (7).
Trotz der beginnenden Differenzierung bleiben die Tochterzellen bis zum Achtzellstadium totipotent, d.h. jede einzelne von ihnen kann sich zu einem vollständigen Embryo entwickeln, wenn sie aus dem Zellverband gelöst wird. Im Verband sind diese Tochterzellen jedoch nicht totipotent, sondern sind Teil im Ganzen des Systems. Sie sind bereits aufeinander zugeordnet und bilden eine Funktionseinheit oder ein biologisches System. Erst wenn sie voneinander getrennt werden, gewinnen sie ihre Unabhängigkeit und können einen ganzen Embryo hervorbringen.
Zwischen dem Acht- und Sechzehnzellstadium geht die Totipotenz über in die Pluripotenz (8), d.h. die einzelnen Zellen des Embryos können sich nicht mehr zu einem ganzen Embryo entwickeln, sondern nur noch zu verschiedenen Zelltypen, die im Embryo vorkommen.
Die Zellen festigen ihren Zusammenhalt auch in morphologisch erkennbarer Form (engl. compaction) und rücken enger zusammen. Es entstehen spezialisierte Verbindungen zwischen den außen liegenden Zellen (tight junctions, Zonulae occludentes), wodurch die inneren Zellen von dem äußeren Milieu abgeschirmt werden und sich in ihrem eigenen Milieu differenzieren. Die äußeren Zellen erscheinen morphologisch polarisiert, weil sie an der äußeren Oberfläche Mikrovilli ausbilden, an den seitlichen Flächen die genannten Kontakte herstellen und im Inneren eine asymmetrische Verteilung der Zellorganellen aufweisen. Zellteilungen können radiär (senkrecht zur gemeinsamen Oberfläche der Blastomere) oder tangential (parallel zu dieser Oberfläche) erfolgen. Bei radiär eingestellten Teilungen entstehen zwei polar organisierte Tochterzellen, die an der Oberfläche bleiben. Bei tangentialer Teilungsebene entsteht eine polare oberflächliche Zelle und eine unpolare innere Tochterzelle, die in dem inneren Stoffwechselmilieu einen anderen Differenzierungsweg einschlägt. Während die äußeren Zellen den Trophoblasten bilden, entsteht aus den inneren Zellen der Embryoblast.
1.3 Blastozyste (Stadium 3, ab 32 Zellen), Adplantation (Stadium 4) und Implantation (Stadium 5)
Ab etwa 32 Zellen entstehen Flüssigkeitsräume zwischen den Zellen, die allmählich zu einer einzigen Höhle zusammenfließen. Wir sprechen jetzt vom Stadium der Blastozyste (Stadium 3). Die Blastozyste besteht aus einem Mantel von Zellen (Trophoblast), welcher sowohl die Blastozystenhöhle als auch den Embryoblasten (9) umhüllt. Die Zellen des Embryoblasten liegen konzentriert an einem Pol der Blastozyste, die Blastozystenhöhle bildet den anderen Pol des inneren Bereichs, wodurch sich eine polare Differenzierung ergibt. Der Embryoblast differenziert sich in zwei Schichten, den Epiblasten (in der Nähe des Trophoblasten) und den Hypoblasten (angrenzend an die Blastozystenhöhle). Der zweischichtige Embryoblast wird als Embryonalscheibe bezeichnet. Am Ende von Stadium 3 löst sich die Zona pellucida auf. Der Embryo schlüpft aus der Zona pellucida. Mit dem Trophoblasten hat der Embryo eine neue schützende Hülle entwickelt. Die Hülle des Trophoblasten ist von da an für die weitere Entfaltung des Embryos wesentlich geeigneter. Sie kann sich der Größe des Embryos anpassen, ermöglicht den Vorgang der Implantation in den Uterus und wird zu einer Schnittstelle zwischen Mutter und Kind.
Die Blastozyste lagert sich mit dem Pol, an welchem der Embryoblast liegt, der Wand des Uterus an (Adplantation, Stadium 4), löst mit den Enzymen des Trophoblasten die Uterusschleimhaut auf, dringt in sie ein und ist schließlich am Ende der ersten Woche völlig in die Uterusschleimhaut eingenistet (Implantation, Stadium 5).
1.4 Asymmetrien, Polarisierung und Achsenbildung
Die Beschreibung der Vorgänge, die von der kugelförmigen Zygote zur Ausbildung der Körperform führen, ist eine der zentralen Aufgaben der Humanembryologie, seit es sie gibt (10). Aus der Zygote wird allmählich ein Körper, der nicht nur durch Symmetrie, sondern auch durch Asymmetrien und Polaritäten gekennzeichnet ist. Bilaterale Symmetrien werden beschrieben in Bezug auf eine virtuelle Längsachse, die vertikale Achse, sowie auf die ebenfalls virtuelle, senkrecht auf ihr stehende sagittale Achse, die zusammen die Medianebene aufspannen. Asymmetrien und Polaritäten werden sichtbar, wenn man sich entlang dieser Achsen bewegt. So ist das obere Ende (superiorer Pol, Kopfende) der vertikalen Achse ganz anders gebildet als das untere Ende (inferiorer Pol, Steißende), das bauchseitige (ventrale) Ende der sagittalen Achse ganz anders als deren rückenseitiges (dorsales) Ende. Wie kommt es zur Ausbildung dieser Symmetrien, Asymmetrien und Polaritäten, die man kurz mit dem Begriff der Ausbildung der Körperachsen zusammenfasst?
Schon die Zygote ist in ihrer inneren Struktur keineswegs kugelsymmetrisch. Sie weist eine wichtige Polarität auf, nämlich den animalen und den vegetalen Pol. Der animale Pol (A) ist definiert durch die exzentrische Lage der Metaphasenspindel. Äußerlich wird er sichtbar durch die Lage des zweiten Polkörpers, welcher in Zweidrittel der Fälle über eine dünne Zytoplasmabrücke mit der Zygote und später mit der Blastozyste verbunden bleibt (11). In Anlehnung an die Entwicklung bei Invertebraten wird der gegenüberliegende Pol als vegetaler Pol (V) bezeichnet.
Durch den animalen und den vegetalen Pol wird die animal-vegetale Achse (AV-Achse) gelegt. Es gibt starke Argumente dafür, dass die AV-Achse, die Vorläuferin der Längsachse des Embryos, bereits in der Zygote angelegt ist. Man kann sich nun Meridiane vorstellen, die den animalen und den vegetalen Pol miteinander verbinden. Entlang einem dieser Meridiane erfolgt die erste Furchungsteilung und damit der Übergang zum Zweizellstadium.
Welcher der möglichen Meridiane für die Furchungsteilung ausgewählt wird, wird nach neueren Befunden vermutlich durch den Ort entschieden, an welchem das Spermium in die Oozyte eindringt (sperm entry point, SEP) (12). Mit der ersten Furchungsteilung wird eine Ebene generiert, welche die beiden ersten entstehenden Blastomeren trennt. In dieser Ebene liegt die AV-Achse.
Die Blastozyste weist drei verschiedene Bereiche auf, den Embryoblasten, den Trophoblasten und die Blastozystenhöhle. Der Embryoblast liegt auf der einen Seite, die Blastozystenhöhle auf der anderen Seite der Blastozyste. Man bezeichnet diese konträren Pole als embryonalen und abembryonalen Pol. Die Achse, die beide Pole verbindet, ist die embryonal-abembryonale Achse (Emb-Ab-Achse). Sie steht senkrecht auf der AV-Achse. Sie wird später zur dorsoventralen Achse (DV-Achse oder sagittale Achse).
Die Längsachse ist zugleich die Achse der bilateralen Symmetrie. Bilaterale Symmetrie kann bereits in der frühen Blastozyste festgestellt werden. Sie hängt nicht von der Implantation ab (13). Ein normaler Körperbauplan entwickelt sich auch in vitro, ohne Implantation (14).
Die Körperlängsachse weist nicht nur eine Orientierung, sondern auch eine Polarität auf. Es gibt einen oberen Pol, an welchem der Kopf entsteht, und einen unteren Pol, an welchem sich die Steißregion bildet. Schon die Zygote enthält determinierende Faktoren im Zytoplasma, die bei den Furchungsteilungen in ungleicher Weise auf die Blastomeren verteilt werden. Dies wurde vor einigen Jahren durch konfokale Laser-Scanning-Mikroskopie für die Markermoleküle Leptin und STAT3 bestätigt (15). Beide Proteine sind gut charakterisiert. Leptin wirkt als Hormon und Zytokin. STAT3 gehört zur Familie von Aktivatoren der Signaltransduktion und Transkription.
Schon längere Zeit vor der Entstehung des Primitivstreifens gibt es bereits Evidenz für die Ausbildung der Polarität der Längsachse beim Maus Embryo. Im viszeralen Entoderm der späteren Kopfregion werden bestimmte Gene und eine Reihe von wichtigen Inhibitoren exprimiert. Die Inhibitoren hemmen u.a. die Signale von Nodal in dem darüberliegenden Epiblasten. Dadurch wird die Aktivität von Nodal auf die untere Region des Embryos eingeschränkt, wo später der Primitivknoten und der Primitivstreifen entstehen (16). Damit ist auch die Polarität der Längsachse bestimmt (17).
1.5 Von der Implantation bis zum Ende der Embryonalzeit (8. Woche)
1.5.1 Entstehung des Primitivstreifens und des Neuralrohrs (2. und 3. Woche, Stadien 6 bis 10)
Die Schwerpunkte der zweiten und dritten Entwicklungswoche sind die Entstehung des Primitivstreifens und der axialen Strukturen, vornehmlich des Neuralrohrs. Da diese Ereignisse für die Debatte über die Grenzen nicht mehr so zentral sind wie vor einigen Jahren, möchte ich Ihnen das Studium bzw. die Rekapitulation selbst überlassen. (18)
1.5.2 Die Wachstumsdynamik des Nervensystems (4. und 5. Woche, Stadien 11 bis 15)
In der vierten Entwicklungswoche schließt sich das Neuralrohr am kranialen und am kaudalen Ende des Embryonalkörpers (19). Von jetzt an dominiert das Nervensystem das Wachstum des Embryos. Das Gehirn wächst rasch über die Begrenzungen des Nabelbläschens hinaus und beugt sich nach vorn. Dabei entstehen die Pharyngealbögen. Es entstehen ferner die Augen- und Ohrbläschen und die vier Gliedmaßenknospen.
In der fünften Entwicklungswoche wird die Beugung des Kopfes so stark, dass die Stirn auf dem Nabel zu liegen kommt. Die Hirnabschnitte sind schon weit fortgeschritten in ihrer Differenzierung. Im Stadium 15 werden die Hemisphärenblasen bereits sichtbar.
1.5.3 Aufrichtung des Embryos und Entwicklung des Gesichts (6. bis 8. Woche, Stadien 16 bis 23)
Im Verlaufe der sechsten Entwicklungswoche wird der Kopf fast ebenso groß wie der ganze Rumpf. Die Gliedmaßen sind weiter differenziert. In der Handplatte sind die Fingerstrahlen erkennbar (Stadium 17). Der Entwicklung des äußeren Erscheinungsbildes entspricht eine rasch fortschreitende Differenzierung der Organsysteme im Inneren des Embryonalkörpers (20).
Als Folge der Ausbildung der Wirbelsäule richtet sich der Embryo in der 7. und 8. Entwicklungswoche allmählich auf, Finger und Zehen werden fein ausgebildet, das Gesicht wird zu dem geformt, was auch der nicht embryologisch Geschulte als typisch menschliches Antlitz bezeichnen würde. Betrachtet man mehrere verschiedene Gesichter am Ende der Embryonalzeit (Ende der 8. Woche), dann wird man jedem dieser Gesichter eine individuelle Besonderung zusprechen müssen. Der Embryo ist zu dieser Zeit etwa 30 mm groß.
1.5.4 Einige wesentliche Befunde bei der Embryonalentwicklung
– Die Zygote ist als menschliches Wesen in der Lage, sich unter geeigneten Bedingungen zur Gestalt des erwachsenen Menschen zu entwickeln. Es muss nichts Wesentliches mehr hinzugefügt werden (aktive Potenz zur vollständigen menschlichen Entwicklung).
– Das Genom ist individuell und humanspezifisch. Seine Struktur ist so beschaffen, dass in jedem Moment der Entwicklung ein menschlicher Embryo zu erkennen ist (humanspezifische Entwicklung (21)).
– Jedes Entwicklungsstadium geht kontinuierlich in das folgende über (Kontinuität der Entwicklung). Nach der Fertilisation können keine Einschnitte in der Entwicklung des Embryos beobachtet werden.
– In jedem Moment der Embryonalentwicklung agiert der Embryo als eine funktionelle, sich selbst organisierende Einheit (Einheit eines dynamischen, sich selbst organisierenden Systems). Der Entwicklungsablauf ist irreversibel und strebt nach der Ausprägung der Endgestalt. Die Einheit des sich selbst organisierenden Systems ist das zentrale und zugleich wichtigste Kriterium, um einem Lebewesen Individualität zusprechen zu können. Es enthält in sich bereits die anderen, vorher genannten Kriterien. Nur der Blick auf das System als Ganzes kann den Embryo in seiner biologischen Verfassung angemessen repräsentieren. Eine Verkürzung der Perspektive, wie etwa auf die genetische Information oder die Funktionen des Nervensystems, wird der biologischen Realität nicht gerecht. Wenn wir vom System als ganzem sprechen, dann müssen wir zugleich einräumen, dass wir dieses System in vielen Hinsichten noch nicht verstehen.
Aus der embryologischen Betrachtung der menschlichen Entwicklung folgt, dass der Embryo von der Befruchtung an ein Mensch ist und die aktive Möglichkeit besitzt, dieses Menschsein voll zu entfalten, wenn ihm die dafür nötigen Umgebungsbedingungen geboten werden. Der Embryo lebt zu jeder Zeit als ein zu einer einheitlichen Leistung befähigtes System und stellt daher unter biologischen Gesichtspunkten eine in Raum und Zeit unverwechselbare Einheit dar, der wir zu Recht Individualität im biologischen Sinne (Individuumb) zuschreiben.
2 Grenzziehungen
Auf dem Hintergrund der Entwicklung des menschlichen Embryos wollen wir uns jetzt mit verschiedenen Grenzziehungen auseinandersetzen, an denen jeweils das Leben des individuellen Menschen beginnen soll. Erst ab dieser Grenze soll der Embryo eine Würde haben, die unantastbar ist.
2.1 Schwangerschaftsabbruch
Im Hinblick auf den Schwangerschaftsabbruch wurde früher der Übergang von der Embryonal- zur Fetalzeit, also das Ende der 8. Entwicklungswoche festgelegt. Begründet wurde dies mit der Behauptung, dass um diese Zeit die Entstehung der Köperform eine wichtige Etappe erreicht habe und die Organentwicklung beginne. Das trifft aber nicht zu. Die Organentwicklung beginnt schon viel früher. Denken Sie nur an die Entwicklung des Herzens, der Gefäße, der peripheren Nerven und des Zentralnervensystems. Die heutige Gesetzgebung legt das Ende des dritten Monats als Grenze fest, bis zu welcher die Schwangerschaft unterbrochen werden darf. Für diese Festlegung gibt es keinen embryologischen Grund (22).
2.2 Primitivstreifen, Zwillingsbildung, Prae-Embryo
Um den Embryonaltag 14 entsteht der Primitivstreifen. In der Regel entstehen danach keine Zwillinge mehr. Solange ein Embryo sich noch zu zwei Individuen entwickeln könne, so das Argument, sei er noch kein individueller Mensch. Die Zygote und die nachfolgenden Embryonalstadien bis zur Entstehung des Primitivstreifens sollen als Prä-Embryo bezeichnet werden. Es ist zuzugeben, dass der Prozess der Zwillingsbildung noch nicht richtig verstanden ist. Sicher ist aber, dass der Embryo zu jeder Zeit als ein zu einer einheitlichen Leistung befähigtes System lebt und daher unter biologischen Gesichtspunkten eine in Raum und Zeit unverwechselbare Einheit darstellt, der wir zu Recht Individualität im biologischen Sinne (Individuumb) zuschreiben. Der Embryo ist vor der Zwillingsbildung ein Individuumb (Zustand A). Nach der Zwillingsbildung (Zustand B) handelt es sich um zwei Individuenb.
Die Autoren Smith & Brogaard haben dafür ein anschauliches Beispiel aus der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika vorgestellt. Die Vereinigten Staaten existierten 1860 als Einheit, obwohl sie im Falle eines Bürgerkrieges in zwei Staaten hätten zerfallen können. Wenn etwas der Möglichkeit nach zwei ist, dann folgt daraus nicht, dass es nicht aktuell eins ist. (23)
2.3 Die Nidation (Implantation)
Um das Jahr 2000 herum, also zu der Zeit, als die Gewinnung embryonaler Stammzellen eine immer größere Bedeutung erlangte, wurde die Nidation (Einnistung in den Uterus), also der Embryonaltag 7, entscheidend für die Zuschreibung des individuellen Menschseins. Es wurde verschiedentlich behauptet, so auch von Christian Kummer (1999), in der Zygote und in den nachfolgenden Präimplantationsstadien gebe es noch keine Achsen. Zur Ausbildung der Körperachsen brauche der Embryo Positionssignale, die er erst durch die Implantation in den Uterus erhalte (24). Deshalb habe der Embryo nicht schon mit der Fertilisation die aktive Potenzialität, sich zum erwachsenen Menschen zu entwickeln. Die Implantation liefere ihm noch zusätzliche Eigenschaften, die für seine weitere Entwicklung wesentlich seien.
Auf Grund der Konfrontation mit neueren Befunden zur Entstehung der Körperachsen (25), über die ich im Teil 1 berichtet habe, sah sich aber Kummer zu einer „empfindlichen Korrektur“ seiner Position veranlasst. „Eine grundlegende Befähigung zur autonomen Bestimmung seiner Körperachsen ist dem Embryo nach all dem sicher nicht mehr abzusprechen“ (26). Die embryologischen Daten sprechen dafür, dem Embryo von der Fertilisation an den „ontologischen Status einer vollständigen Organisationsform“ (27) zuzuerkennen, und zwar unabhängig von der Einnistung in den Uterus.
Dennoch wird verschiedentlich daran festgehalten, dass der Embryo erst durch die Einnistung zu einem vollständigen menschlichen Individuum werde. Gemäß Christiane Nüsslein-Volhard sei der Uterus notwendig für die Vervollständigung und Steuerung des embryonalen Entwicklungsprogramms (28). Doch dafür gibt es bisher keine Evidenz. Der Uterus ist sicherlich notwendig für das Weiterleben des Embryos. Er liefert die geeignete Behausung, die lebensnotwendige Nahrung und den unverzichtbaren Schutz für den Embryo. Diese Funktionen des Uterus sind notwendig, wie auch für Kinder und Erwachsene Nahrung, Behausung und Schutz notwendig sind für das Überleben und die Entwicklung der eigenen Möglichkeiten. Lebensnotwendige Faktoren sind aber nicht per se schon konstitutiv. Nach allem, was wir heute wissen, steuert der Embryo sein Entwicklungsprogramm selbst.
Unser Gegenargument wird durch soeben publizierte experimentelle Befunde aus der Arbeitsgruppe von Magdalena Zernicka-Goetz unterstützt. Diese zeigen, dass menschliche Embryonen in einer speziellen Kulturschale und in einem besonderen Nährmedium über den Zeitpunkt der Implantation hinaus weiterleben und sich entwickeln konnten (29). Die Forscher gehen davon aus, dass sie die Embryonen auch länger als die gesetzlich erlaubten 14 Tage (in Grossbritannien) am Leben halten könnten.
2.4 Die Rede vom Zellhaufen
Als ich zum ersten Mal hörte, dass der Embryo ein Zellhaufen sei, dachte ich, es handle sich um einen populistischen Ausdruck von Journalisten. Mittlerweile ist aber dieser Ausdruck weit verbreitet, und zwar sogar bei Biologen, Reproduktionsmedizinern und Politikern. So hat der schweizerische Bundesrat Alain Berset in der Arena-Sendung vom 15. Mai 2015 gesagt, der Embryo sei zu Beginn seines Lebens noch kein Mensch, sondern „ein Zellhaufen, der sich später entwickeln kann zu einem Menschen“. Damit begründete er die Verfassungsänderung, die die Einführung der Präimplantationsdiagnostik erlauben sollte.
Wie jeder von uns weiß, bedeutet ein Haufen, dass die einzelnen Elemente in beliebiger Nachbarschaft liegen und ausgetauscht werden können. Ganz anders ist die Situation beim menschlichen Embryo, wie ich im Teil 1 gezeigt habe. Mit der Befruchtung beginnt er sein individuelles menschliches Leben. Er verfügt über eine individuelle genetische Ausstattung. Seine Zellen bilden eine organische Einheit, ein sich selbst organisierendes System. Sie kommunizieren miteinander und teilen sich schon sehr früh die Aufgaben, die zu regionalen Differenzierungsunterschieden führen. Dieses komplexe System ist umgeben von einer schützenden Hülle, der Zona pellucida, die die Einheit des Embryos gewährleistet. Entfernt man diese Hülle, dann zerstört man die Einheit des Embryos. Die Zona pellucida schafft ein nach außen abgeschlossenes inneres Milieu für die Differenzierung der Zellen. Zugleich ermöglicht sie die Kommunikation mit der Außenwelt und insbesondere den Austausch von Signalen mit der Mutter, was die Embryologen als embryo-maternalen Dialog bezeichnen.
Nun gibt es Aufnahmen vom Blastomerenstadium mit dem Rasterelektronen-Mikroskop. Zur Darstellung der einzelnen Zellen wurde die schützende Hülle, die Zona pellucida entfernt. Beim Anblick dieser Zellen könnte man meinen, es handle sich tatsächlich um einen Zellhaufen. In Wirklichkeit hat man die Individualität des Embryos zerstört und künstlich einen „Zellhaufen“ erzeugt.
3 Der ontologische Status des Embryos
3.1 Der Mensch als vernunftbegabtes Individuum
Die Analyse des biologischen Status hat ergeben, dass der menschliche Embryo alle Bedingungen erfüllt, um als ein Individuum im biologischen Sinn (Individuumb) angesehen zu werden. Welche Relevanz hat dieser Befund für die philosophische Frage, ob der Embryo schon Person ist?
Die klassische Definition der Person stammt von dem antiken Philosophen Boethius. Sie lautet: „Person ist die individuelle Substanz einer vernunftbegabten Natur“ (30). Es ist nun erstens zu klären, ob das biologische Individuum ontologisch als eine individuelle Substanz angesehen werden muss, und zweitens, ob dieses Individuum vernunftbegabt ist.
Wir haben im ersten Teil des Vortrags gesehen, dass der Embryo von der Fertilisation an alle Bedingungen erfüllt, die für ein biologisches Individuum erfüllt sein müssen. Er ist eine Einheit in Raum und Zeit. Diese Einheit wird garantiert durch eine schützende Hülle, und zwar zuerst von der Zona pellucida, danach vom Trophoblasten. Als individuelle Einheit ist der Embryo ein System, das sich schon in seinem Anfang auf seine Endgestalt hin organisiert. Trotz der Veränderungen, die im Laufe der Entwicklung auftreten, bleibt der Embryo mit sich über die Zeit hinweg (diachron) identisch. Er ist deshalb biologisch als Individuum und ontologisch als eine individuelle Substanz anzusehen. (31)
Gemäß Aristoteles und vielen anderen Philosophen sind natürliche Seiende bestimmt durch grundlegende Eigenschaften wie Potentialität (dynamis) und Aktualität (energeia). Potentialität bedeutet nicht einfach eine reine Möglichkeit, sondern ein aktives Vermögen, sich in seine Aktualität zu entwickeln. Sie ist auf die Realisierung ihres Endzustands ausgerichtet (32). Dieses Konzept wurde von Thomas von Aquin systematisch weiter entwickelt. Thomas unterscheidet eine aktive und eine passive Potentialität (potentia activa, potentia passiva). Ein Seiendes hat dann eine aktive Potentialität, wenn es fähig ist, aus sich selbst heraus diese Möglichkeit in Wirklichkeit umzusetzen (capacitas ad actum producendum).
Der Mensch ist dadurch charakterisiert, dass er vernunftbegabt ist. Das biologische Korrelat der Rationalität ist das Nervensystem. Da der menschliche Embryo die aktive Potentialität hat, ein menschliches Nervensystem zu entwickeln, hat er eine rationale Natur. Daraus ergibt sich, dass die philosophische Reflexion über biologische Sachverhalte zu der Schlussfolgerung berechtigt: Der menschliche Embryo ist eine individuelle Substanz einer rationalen Natur und deshalb eine Person.
3.2 Person als sittliches Subjekt
Während die antike und die mittelalterliche Philosophie von der Ontologie der Substanz ausgeht, legt Immanuel Kant die Freiheit für den Personbegriff zugrunde. Person ist für Kant „dasjenige Subjekt, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind. Die moralische Persönlichkeit ist also nichts anderes, als die Freiheit eines vernünftigen Wesens unter moralischen Gesetzen
„Freiheit ist für Kant nur Freiheit, wenn sie als eine ursprüngliche Selbstbestimmung des Willens gedacht wird, als die Fähigkeit, von sich selbst her einen Anfang zu setzen. Selbstbestimmung des Willens aber bedeutet, sich von nichts anderem als […] von der Vernunft bestimmen zu lassen.“ (34) Da das Subjekt seinen Willen für das sittlich Gute selbst bestimmt, wird es zum sittlichen Subjekt. Das sittliche Subjektsein und seine zum Guten realisierte Freiheit stellt aber nicht mehr einen Zweck dar, der für andere Zwecke verfolgt wird, sondern ist Zweck an sich selbst. (35) Wenn aber das sittliche Subjekt Zweck an sich selbst ist, „dann gibt es keinen äquivalenten Wert, gegen den es verrechnet werden könnte“ (36). Diese Selbstzwecklichkeit des sittlichen Subjekts hat keinen Preis, „sondern einen inneren Wert, d.i. Würde“ (37). Das sittliche Subjektsein verleiht also dem Menschen Würde und macht ihn zur Person.
Aus dieser Herleitung des Würdebegriffs wird klar, dass dem Menschen Würde und Personalität nicht einfach deshalb zukommen, weil er der biologischen Spezies Homo sapiens angehört, sondern weil er sittliches Subjekt ist. Nun aber ist das leibliche Leben Bedingung dafür, sittliches Subjekt zu sein. Deshalb gehören schon bei Kant Persönlichkeit und menschliche Natur untrennbar zusammen (38).
4 Schluss
Bei genauer Betrachtung der Eigenschaften und der Entwicklung des menschlichen Embryos ergibt sich, dass der Embryo von der Befruchtung an ein menschliches Individuum ist. Dieses Individuum verfügt über die Möglichkeit, ein Nervensystem zu entwickeln, womit seine rationale Natur grundgelegt ist. Der Embryo ist deshalb als Person im philosophischen Sinn zu bezeichnen.
Aus der Zuschreibung des Personseins ergeben sich wichtige ethische Konsequenzen. Eine Person hat Würde und darf nicht als Mittel zum Zweck gebraucht werden. Diese philosophische und ethische Sicht steht heute im Konflikt mit politischen, juristischen, sozialen und psychologischen Gesichtspunkten, die bei der Gesetzgebung ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Man darf aber auf keinen Fall zulassen, dass biologische Sachverhalte so umgedeutet werden, dass damit die Gesetzgebung auch moralisch gerechtfertigt wird und man beim Eingriff in das Leben des Embryos kein schlechtes Gewissen mehr haben muss.
Fußnoten
1 Williams 1995 p.133; Alberts et al. 1994 p.1034: „Fertilization marks the beginning of … the process of embryogenesis“; Sadler 1998 p.32: „Mit der Aktivierung beginnt die Embryogenese“.
2 Mit der Imprägnation (Eindringen des Spermiums in die Oozyte) ist entschieden, ob aus der Fertilisation ein weiblicher oder ein männlicher Embryo hervorgeht.
3 Stadium 2 nach R. O’Rahilly and F. Müller 1987. Häufig wird dieses Stadium auch als Morula bezeichnet. Unter Morula wird eine solide Masse von 12 oder mehr Zellen verstanden. Die Blastomeren rufen Erhebungen an der Oberfläche der Eizelle hervor, weshalb man die Eizelle mit einer Maulbeere vergleicht. Dieses Stadium reicht bis zur Entstehung der Blastozysthöhle (Stadium 3). Es wird vorgeschlagen, den Ausdruck Morula fallen zu lassen, weil bei Amphibien daraus nur embryonales Gewebe entsteht, während bei Mammaliern (Placentarier) auch nicht-embryonale Gewebe (Amnion und Chorion) sich daraus entwickeln. Zur Diskussion des Begriffs Morula siehe R. O’Rahilly und F. Müller, 1987, 13.
4 P. Braude et al. 1988.
5 Es handelt sich um den Early Pregnancy Factor (EPF), der Immuntoleranz bewirkt.
6 Die Produktion von HCG beginnt bereits im Trophoblasten der Blastozyste.
7 Ein weiteres wichtiges Signal, das bereits von der befruchteten Oozyte und vom Embryo im Blastomerenstadium ausgesendet wird, ist der Blutplättchen-aktivierende Faktor (PAF) (H.M. Beier 1992).
8 Vgl. K. Hinrichsen 1990, S.87, und H.M. Beier 1992
9 Der Embryoblast wird in der Literatur auch als „innere Zellmasse“ bezeichnet.
10 Eines der frühesten Zeugnisse dieser Bemühungen in der Humanembryologie ist das immer noch sehr lesenswerte Buch von W. His 1874.
11 Diese Zytoplasmabrücke entspricht dem meiotischen Mittelkörper, meiotic midbody.
12 K. Piotrowska and M. Zernicka-Goetz 2001. B. Plusa et al. 2002.
13 H.W. Denker 2003b; 2004.
14 Y.-C. Hsu 1979, 1980; Y.-C. Hsu et al. 1974.
15 M. Antczak and J. Van Blerkom 1997.
16 Für Literaturangaben zu diesem Thema siehe J. Rossant and P.P.L. Tam 2004.
17 Weitere Informationen zur Polarisierung der Längsachse bei C. Viebahn 2003.
18 Für das Selbststudium empfehle ich G. Rager (Hg.), Beginn, Personalität und Würde des Menschen, Freiburg, 3. Auflage 2009; G. Rager (Hg.), Humanembryologie und Teratologie. Ein Kurzlehrgang CD-ROM, 3. Auflage, Bern 2008), Version 3.2 auf dem Internet www.embryocd.ch, auch mit Windows 10 kompatibel.
19 Neuroporus cranialis im Stadium 11, Neuroporus caudalis im Stadium 12.
20 Genauere Darstellung in Lehrbüchern der Humanembryologie wie W.J. Hamilton and H.W. Mossman 1972; E. Blechschmidt 1973; K.V. Hinrichsen 1990; R. O’Rahilly and F. Müller 2001.
21 Bei aller Ähnlichkeit mit den Entwicklungsabläufen bei anderen Tierarten sind doch immer wieder spezifische Unterschiede festzustellen, und zwar von der molekularbiologischen Ebene bis zur äußeren Körperform.
22 Nach meiner Kenntnis hat sie lediglich medizinisch-praktische Gründe, nämlich dass man bis zu diesem Entwicklungsstand noch transvaginal abtreiben kann.
23 Bericht dazu in G. Rager, Zur Ontologie der Embryonalentwicklung von B. Smith und B. Brogaard: Kommentar und Kritik aus embryologischer Sicht, in L. Honnefelder und M. C. Schmidt (Hg.), Naturalismus als Paradigma. Wie weit reicht die naturwissenschaftliche Erklärung des Menschen?, Berlin 2007, 205-208. In dieser Stellungnahme wird zugleich gezeigt, dass der Vorschlag von B. Smith & B. Brogaard, das Leben des individuellen Menschen erst am Tag 16 beginnen zu lassen, embryologisch nicht haltbar ist. Siehe Barry Smith and Berit Brogaard, Sixteen Days, in: Journal of Medicine and Philosophy, 28 (2003), 45-78.
24 C. Kummer 1999.
25 G. Rager (Hg.), Beginn, Personalität und Würde, 87-90.
26 C. Kummer 2000, S. 551.
27 C. Kummer 2000, S. 551.
28 C. Nüsslein-Volhard 2001
29 A. Deglincerti et al. und M.N. Shahbazi et al., beide in Nature Cell Biology, Online Publikationen vom 4. Mai 2016.
30 “Reperta personae est definitio: « naturae rationabilis individua substantia » Gegen Eutyches und Nestorius III in Boethius. Heute versteht man unter Substanz häufig, ein bestimmtes Material. So fügt man z.B. in der Chemie verschiedene Substanzen zusammen, um eine bestimmte Reaktion zu erzielen. In der Philosophie meint Substanz jedoch eine Entität, die über die Zeit hinweg trotz aller Veränderungen mit sich selbst identisch bleibt.
31 Smith und Brogaard kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Zygote eigentlich die von ihnen formulierten 10 Bedingungen erfüllt, die sie als individuellen Menschen ausweisen. Aus der Tatsache, dass sich die Zygote bald nach ihrer Entstehung teilt, schließen sie aber, die Zygote könne nicht transtemporal mit dem menschlichen Individuum nach der Geburt identisch sein. Dies ist jedoch eine unzutreffende Deutung des biologischen Sachverhalts. Zur Zygote gehört auch die Zona pellucida. Beide zusammen bilden erst das einheitliche, individuelle System Zygote. Zur genaueren Diskussion dieses Problems siehe Rager, Kritik.
32 Aristoteles, Metaphysik, IX Kapitel 6-9.
33 „woraus dann folgt, dass eine Person keinen anderen Gesetzen als denen, die sie […] sich selbst gibt, unterworfen ist.“ Kant, Metaphysik der Sitten, AB 22.
34 Baumgartner et al., Philosophische Aspekte, 351.
35 Kant, Grundlegung, B69.
36 Baumgartner et al., Philosophische Aspekte, 352.
37 Kant, Grundlegung, 77.
38 Baumgartner et al., Philosophische Aspekte, 374.