Lesen Sie hier unseren Brief vom 20.07.01 an die Bayer. Staatsregierung zur Ablehnung der PID.

Stellungnahme der Ärzte für das Leben e.V., München

zum „Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik“ des

wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer (BÄK)

Der federführende Vorsitzende dieser Kommission zur sog. PID war im Jahre 2000 auch Mitglied der dreiköpfigen ad – hoc Kommission der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), die sich – in einer bis heute nicht zugänglichen Stellungnahme – für die Zulassung des Abtreibungsmittels Mifegyne als „Arzneimittel“ nach dem Deutschem Arzneimittelrecht ausgesprochen hatte, worauf das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinalprodukte in Berlin, Mifegyne für den „medikamentösen“ Schwangerschaftsabbruch, d.h. die Tötung menschlichen Lebens zu Behandlungszwecken, zuließ! Bei seiner feierlichen Antrittsvorlesung in München als neuer Lehrstuhlinhaber für Frauenheilkunde an der Medizinischen Fakultät der LMU anfangs der 80er Jahre, erhielt er vom Auditorium viel Beifall für den Satz zu einem entsprechenden Dia: „dies ist ein Mensch im Vier-Zell-Stadium“.

  1. Die Gesellschaft Ärzte für das Leben e.V. lehnt aus berufsethischen Gründen den Diskussionsentwurf des wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer zur genetischen und chromosomalen Untersuchung von Embryonen vor deren Implantation strikt ab. Es handelt sich um ein ausschließliches Selektionsverfahren, das mit der Aufgabe des Arztes unvereinbar ist.
     
  2. Bereits die Bezeichnung Präimplantationsdiagnostik (PID oder PGD) ist für Ärzte für das Leben e. V. unannehmbar, bedeutet sie doch ein verbrämendes Etikett. Unter dem heilkundlichen Begriff „Diagnostik“ sind alle auf die Erkennung einer Erkrankung gerichteten Maßnahmen zusammengefaßt, welche als Voraussetzung für die einzuleitende Therapie dienen. Erst das angestrebte therapeutische Ziel rechtfertigt im Rahmen der Medizin als Heilkunde diagnostische Maßnahmen und bildet – unausgesprochen – die rechtliche Basis des Behandlungsvertrags zwischen Patient und Arzt. Ärztliches Handeln schließt die vorsätzliche Tötung des Kranken aus. Diese Sicherheit begründet das Vertrauensverhältnis zwischen beiden Vertragspartnern. Die sogenannte Präimplantationsdiagnostik zielt ausschließlich auf die Selektion des genetisch oder chromosomal beschädigten Merkmalsträgers: Sie stellt sich nicht in den helfenden Dienst, sondern pervertiert den ärztlichen Heilauftrag zum selektierenden Tötungsakt. Der Untersucher betätigt sich vorsätzlich als Selektor und ermächtigt sich zum Herrn über Leben und Tod bei menschlichen Embryonen, seinen Artgenossen in der Ohnmacht ihres anfanghaften Seins. Wenngleich Experte, verweigert er sich dem hippokratischen Eid, das menschliche Leben in all seinen Formen und seiner Vielfalt zu würdigen und ihm zu helfen. Falls die BÄK gewillt ist, einen so gearteten Selektionsauftrag der Gesellschaft unter bestimmten Bedingungen zu übernehmen, läßt sie sich auf ein unärztliches Mandat ein, dem sich Ärzte für das Leben widersetzen.
     
  3. Erfahrungsgenäß werden „strenge“ Bedingungen, die auch im Diskussionsentwurf der BÄK gefordert werden, von den sich rasch erweiternden biotechnischen Verfahren und einer liberal-pragmatischen Praxis überholt. Dies bestärkt unsere ablehnende Position. Die Wirksamkeit sog. strenger Auflagen ist bei der Logik liberaler Gesellschaften zeitlich sehr begrenzt.
     
  4. Die Beurteilungskriterien der „Schwere“ einer Normabweichung oder des „hohen Risikos“ einer Behinderung sind unakzeptabel, wenn sie das Lebensrecht des Embryos bestreiten und außer Kraft setzen wollen. Es gibt kein Recht auf ein gesundes Kind. Ärzte für das Leben sind nicht bereit, den fälschlich erhobenen Ansprüchen der Gesellschaft auf intakte appollinische Kinder entgegen zu kommen. Jeder menschliche Embryo, jeder Fetus, jeder ungeborene und geborene Mensch hat sein persönliches Recht auf Leben. Dafür treten wir ein.
     
  5. Die Verfahren der IVF sind auf Fälle der Sterilitätsbehandlung zu beschränken. Ein ursprünglich ärztliches Behandlungsverfahren für sterile Paare darf nicht zu Selektionszwecken mißbraucht und zu eugenischen Handlungsspielräumen erweitert werden.
     
  6. Ärzte für das Leben e.V. lehnen die verbrauchende Embryonenforschung ab. Die Verfahren der künstlichen Befruchtung müssen vor einer solchen Möglichkeit rechtlich über das Embryonenschutzgesetz abgesichert bleiben. Aufgrund immer neuer reproduktionstechnischer Möglichkeiten ist der Gesetzestext zu konzentrieren und gegen Mißdeutungen abzuklären.
     
  7. Wenn erblich schwer belastete Paare den dringenden Kinderwunsch äußern, empfehlen wir die Adoption als eine humane Alternative. Wir plädieren für die Vereinfachung des Adoptionsverfahrens durch den Gesetzgeber und die jeweils zuständigen Instanzen. Gleichzeitig wollen wir die Mentalität der Gesellschaft verändern, Vorbehalte gegen eine Adoptionsfreigabe durch die leibliche Mutter aufzugeben, um für das Kind die Möglichkeit zu schaffen, seine genetischen Wurzeln je nach Wunsch in Erfahrung zu bringen und seine Identität zu finden. Dies ist in dem Konzept der offenen Adoption verwirklicht.
     
  8. Im Hinblick auf die Schuldverstrickung unseres Volkes, der Medizin und der aktiven und passiven Mittäterschaft von Medizinern im „Dritten Reich“ bei Verbrechen wider die Menschlichkeit weisen wir die erneut mit dem Begriff der „Leidverminderung“ scheinbegründete Selektion menschlicher Individuen zurück. Wir verkennen nicht, daß unsere Position angesichts einer – gemäß der Fristenlösung mit Beratungspflicht – seit langem bestehenden Praxis der rechtswidrigen, aber straffreien Tötung von gesunden als „unzumutbar“ erklärten Ungeborenen nur von einer Minderheit mitgetragen wird. Die geschichtlichen Parallelen in der Instrumentalisierung der Medizin zu einem Tötungsgewerbe lassen sich nicht durch semantische Formulierungen verbrämen. Wir dürfen und wollen nicht wegschauen, nicht verdrängen oder vor „gegebenen“ Fakten kapitulieren.
     
  9. Wir wenden uns an alle Kollegen/Kolleginnen in der Forschung mit der dringenden Bitte, weder in den Forschungszielen noch in der gewählten Methode den Menschen zu verzwecken oder die personale Würde des Menschen zu verletzen. Wir erinnern jede Kollegin und jeden Kollegen unabhängig von ihrer Weltanschauung an das Genfer Ärztegelöbnis und die UN-Charta der Menschenrechte von 1948, damit wir alle vor dem Urteil der zukünftigen Generationen bestehen können.
     
  10. Trotz des 1994 in das Grundgesetz (GG) eingefügten Diskriminierungsschutzes behinderter Menschen in unserem Staat vollzieht sich durch die aktuelle Rechtsprechung zum „wrongful-birth-Schadensfall“ eine wachsende Entsolidarisierung. „Unzumutbarkeit“ ist keine Legitimation, einen Menschen zu töten. Der Begriff ist eine Leerformel, die sich nach Belieben füllen und zum „Vorwand“ ausgestalten läßt. Ärzte für das Leben befürchten, daß sich durch die Einführung der Präimplantationsselektion gesellschaftliche Vorurteile gegen behinderte Menschen weiter verstärken und die Tendenz verhärten, im behinderten Mitmenschen allein den „Belastungsfaktor“ zu sehen statt ihn als prinzipiell Gleichberechtigten zu achten. Das Lebensrecht und die freie Persönlichkeitsentfaltung behinderter Menschen dürfen nicht in Frage gestellt werden. Dies gilt ab dem Beginn menschlichen Daseins, also mit der Konzeption. Wenn heute Eltern dem unreflektierten Ausspruch beim Anblick ihres bspw. Von einem Down-Syndrom betroffenen Kindes ausgesetzt sind: „das hätte heutzutage aber nicht mehr sein müssen!“, wird morgen dieses diskriminierend-brutale Urteil über Menschen jeglicher Behinderung ergehen. Der vermeintliche Anspruch auf eine behindertenfreie Gesellschaft wird zum angeblichen Recht formuliert und die zunehmende Mißachtung der Individualrechte von physisch Schwachen, alten, kranken, unerwünscht gezeugten oder „unzumutbaren“ behinderten Menschen „selbstverständlich“ in Kauf genommen. Die Verpflichtung zur Solidarität mit den Schwächsten der Gesellschaft wird geleugnet. Damit wird Heilkunde demoralisiert zugunsten einer Utopie: denn eine krankheits- und behinderungsfreie Menschheit wird es nicht geben.
     

Ärzte für das Leben sehen den gesellschaftlichen und internationalen Druck auf Wissenschaftler, Gesetzgeber, Politiker und Ärzte, sich einem geforderten ethischen Minimal-Konsens zu beugen. Wissenschaftlicher Fortschritt und medizinische Erfolge dürfen jedoch niemals auf Kosten von Menschenleben erkauft werden. Der Mensch ist nicht Herr über Seinesgleichen. Der Artgenosse, und sei er physisch oder psychisch noch so abhängig, ist kein Sklave ohne Lebensrecht.

Ärzte für das Leben sind dem hippokratischen Eid verpflichtet. Wir erwarten als Glieder der deutschen Ärzteschaft, dass unsere Position im Sinne der von der BÄK gewünschten offenen und öffentlichen Diskussion im Deutschen Ärzteblatt ungekürzt publiziert wird, zumal dort gerade jüngst – durchaus begrüßenswert (siehe DÄ 14/2000) – auch eine Stellungnahme aus dem nicht ärztlichen Bereich veröffentlicht wurde.

Für die Ärzte für das Leben e.V. erarbeitet von
Prof. Dr. med. I. Schmid-Tannwald, Dr. med. Dr. med. theol. h.c. M. Overdick-Gulden, A. Kuhlmann (AIP)

Vom Vorstand der Gesellschaft Ärzte für das Leben e.V am 3. März 2001 angenommen

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