Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Marktkirche in Hannover haben der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, am 4. Mai 2019 die bundesweite Aktion Woche für das Leben eröffnet. Sie wird bis zum 11. Mai in katholischen und evangelischen Kirchengemeinden begangen.
Die Woche für das Leben widmet sich in diesem Jahr unter dem Titel „Leben schützen. Menschen begleiten. Suizide verhindern.“ der Suizidprävention und stellt die vielfältigen Beratungsangebote beider Kirchen für suizidgefährdete Menschen und ihre Angehörigen, insbesondere die Telefonseelsorge, in den Mittelpunkt.
Vor dem Hintergrund von etwa 10.000 Suiziden und noch deutlich mehr Suizidversuchen in Deutschland pro Jahr will sie den Gründen von Depression und Todeswünschen nachgehen und Wege für eine bessere Prävention und Versorgung suizidgefährdeter Menschen aufzeigen.
Verzweifeltes Umfeld
In seiner Predigt zu Matthäus 14,22–33, lenkte Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm den Blick auch auf das Umfeld der Menschen, die sich das Leben genommen haben. „Studien sagen, dass ein Mensch, der sich das Leben nimmt, mindestens zehn Menschen aus seinem Lebenskreis in eine schwere Krise stürzt. Das sind bei 10.000 Suizidenten pro Jahr in Deutschland mindestens 100.000 Menschen“, sagte Bedford-Strohm laut Pressemitteilung. Natürlich stelle sich dann die Frage: „Wie können wir da überhaupt noch von Gott reden? Angesichts von so viel Verzweiflung? Angesichts von so viel unerhörten Gebeten?“
Bedford-Strohm erinnerte an die Osterbotschaft von der Auferstehung und die radikale Liebe, die darin zum Ausdruck komme: „Eine radikale Liebe, die so weit reicht, dass sie auch noch in die Abgründe der Verzweiflung vordringt.“ Diese Liebe sei stärker als die Verlorenheit, mit der die Verstorbenen in den Tod gegangen sind. „Wie könnte Gott die fallen lassen, die für sich nur noch den Todes-Ausweg gesehen haben, wo er ihre Verzweiflung doch so gut kennt!“
Zudem sprach Landesbischof Bedford-Strohm auch ein Versagen der Kirche an. „Es ist eine historische Schuld der Kirche, dass sie viel zu lange diese offenen Arme Gottes dementiert hat, dass sie Menschen, die sich das Leben genommen haben, als Selbstmörder moralisch verdammt hat, dass sie ihnen das Begräbnis verweigert hat, dass sie die Schuldgefühle der Angehörigen damit potenziert hat. Dass sie das Zeugnis der Auferstehung schuldig geblieben ist.“ Gleichzeitig dankte er den unzähligen haupt- und ehrenamtlich in den Beratungsdiensten Tätigen für ihren Einsatz. Insbesondere die Telefonseelsorge habe große Bedeutung für die Prävention.
25 Jahre Woche für das Leben
Kardinal Marx betonte in seiner thematischen Hinführung im Gottesdienst, dass evangelische und katholische Christen seit 25 Jahren die Woche für das Leben feiern. „Der Schutz des ungeborenen Lebens und die Begleitung von Menschen, deren Leben zu Ende geht, also der Lebensschutz insgesamt – in diesen wichtigen Fragen wollen wir als Kirchen sichtbar in der Öffentlichkeit auftreten und unsere ethische Haltung aus christlicher Perspektive vertreten“, so Kardinal Marx.
„In diesem Jahr befassen wir uns – für manche überraschend, für andere längst überfällig – mit einem weiteren Lebens-Thema: ‚Leben schützen. Menschen begleiten. Suizide verhindern.‘ Was etwas nüchtern in der Fachsprache Suizidprävention heißt, ist für uns als Kirchen die Aufforderung, jedem Menschenleben nachzugehen: den Bedrängten, den Verfolgten, den Ausgestoßenen, den Verzweifelten und auch denen, die sich mit dem Gedanken tragen, ihr Leben zu beenden. Das Leben kann für manche Menschen lebensbedrohlich sein, Depression und Angst führen zu dem Wunsch, dem Leben ein Ende zu setzen. Mit unseren vielfältigen Angeboten – gerade in Caritas, Diakonie und Telefonseelsorge – leisten wir Hilfe, sind ansprechbar. Wir hören zu! Dazu lädt auch dieser Gottesdienst ein, Hörende zu sein.“
Suizidprävention geht uns alle an
Zudem sprach Kardinal Marx sich für mehr Achtsamkeit aus. „Wir appellieren an unsere Gesellschaft um ein wachsames Miteinander, um ein aufmerksames Auge auf den Nachbarn und um ein beherztes Eingreifen, wenn es um die Rettung und Begleitung eines Menschenlebens geht. Suizidprävention geht uns alle an! Gott ist ein Freund des Lebens! Für dieses Leben setzen wir uns ein. Wir wollen da sein, wo wir gebraucht werden. Das hat uns Jesus von Nazareth aufgetragen.“ Die Woche für das Leben sei ein starkes ökumenisches Zeichen für das Leben und zwar vom Anfang bis zum Ende.
An dem ökumenischen Gottesdienst in Hannover mit zahlreichen Teilnehmenden aus Gesellschaft, Politik, Bildung, Medizin und Religionsgemeinschaften wirkten auch der hannoversche Landesbischof Ralf Meister und Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ (Bistum Hildesheim) mit.
Hintergrund
Die Woche für das Leben jährt sich in diesem Jahr zum 25. Mal. Seit 1994 ist sie die ökumenische Initiative der katholischen und der evangelischen Kirche in Deutschland für die Anerkennung der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des menschlichen Lebens in allen Phasen. Die Aktion, die immer zwei Wochen nach Ostersamstag beginnt und sieben Tage dauert, will jedes Jahr Menschen in Kirche und Gesellschaft für den Schutz des menschlichen Lebens sensibilisieren.
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