01.06.18: Assistierte Reproduktion: Bundesärztekammer (BÄK) veröffentlicht neue Richtlinie
Die Bundesärztekammer (BÄK) hat am 01.06.18 die „Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion“ veröffentlicht. Mit der vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärztekammer im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut erstellten Neufassung wird die bisherige „(Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion“ gegenstandlos.
„Mit dieser Richtlinie übernimmt die Ärzteschaft weiter Verantwortung für die medizinisch-wissenschaftlichen Belange der Reproduktionsmedizin und schafft transparente, bundeseinheitliche Regelungen für Ärzte und Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch“, erklärte Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery in einer Presseaussendung.
Die Richtlinie verzichte ganz bewusst auf eine Interpretation von rechtlich nicht eindeutig geregelten, häufig gesellschaftspolitischen Fragen in diesem Bereich. „Diese zu beantworten ist und bleibt Aufgabe des Gesetzgebers. Denn nur dieser ist legitimiert, die das menschliche Leben elementar berührenden Fragen zu den medizinethischen und rechtlichen Aspekten der Reproduktionsmedizin verbindlich zu entscheiden. Wir stehen ihm bei der Erarbeitung entsprechender gesetzlicher Regelungen natürlich auch weiterhin mit unserer Expertise beratend zur Seite“, so Montgomery.
Fokus auf Entnahme und Übertragung menschlicher Ei- und Samenzellen
Der Vorstand der Bundesärztekammer hatte im Februar 2015 beschlossen, die medizinisch-wissenschaftlichen Fragestellungen im Bereich der Reproduktionsmedizin klar von den gesellschaftspolitischen Aspekten abzugrenzen und die „(Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion“ aus dem Jahr 2006 nicht fortzuschreiben. Stattdessen erarbeitete ein Arbeitskreis des Wissenschaftlichen Beirates unter Federführung von Prof. Dr. Jan-Steffen Krüssel, Prof. Dr. Eberhard Nieschlag und Prof. Dr. Hermann Hepp auf Basis der mit dem Gewebegesetz geschaffenen Rechtsgrundlage (§16 b TPG) eine Neufassung der Richtlinie.
Sie fokussiert – dem gesetzlichen Auftrag entsprechend – auf die Entnahme und Übertragung menschlicher Ei- und Samenzellen und stellt hierzu den allgemeinen medizinisch-wissenschaftlichen Stand der Erkenntnisse fest. Ausführliche Darstellungen zu den Spenderauswahlkriterien sowie zu Information und Einwilligung der Spender sind ebenfalls wichtige Richtlinienbestandteile. Verabschiedet wurde vom BÄK-Vorstand mit Blick auf die Rechtsanwender zudem eine Anpassung dieser Richtlinie an das zum 1. Juli 2018 in Kraft tretende Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen (Samenspenderregistergesetz – SaRegG).
Ärzteschaft: Gesetzgeber muss wichtige offene gesellschaftspolitische Fragestellungen der Reproduktionsmedizin diskutieren und beantworten
Die Ärzteschaft hatte in der Vergangenheit wiederholt gefordert, dass der Gesetzgeber wichtige offene gesellschaftspolitische Fragestellungen der Reproduktionsmedizin diskutiert und beantwortet. Dazu zählen beispielsweise der Umgang mit ärztlichen Beratungs- oder Unterstützungsleistungen für in Deutschland nicht erlaubte Verfahren der assistierten Reproduktion, die Diskussion über die sogenannte „Dreier-Regel“ und damit die zahlenmäßige Beschränkung entwicklungsfähiger Embryonen insbesondere auch im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik sowie die Behandlung lesbischer Paare und alleinstehender Frauen mit heterolog verwendeten Samenzellspenden.
Vor diesem Hintergrund hatten Bundesärztekammer und Deutsche Ärztetage darauf hingewiesen, dass die zunehmende Komplexität der mit der Reproduktionsmedizin verbundenen medizinischen, ethischen und rechtlichen Fragen insbesondere für die Betroffenen, für ihre Kinder und gegebenenfalls für die Spender von Samen zur heterologen Verwendung ebenso wie für die behandelnden Ärzte eine systematische Rechtsentwicklung für die Fortpflanzungsmedizin dringend erforderlich machen – diese stehe bislang aus.