07.05.23: ALfA zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung behinderter Menschen: Zukunft barrierefrei gestalten geht nur für Menschen, die eine Zukunft haben
Anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung behinderter Menschen am 5. Mai machte die Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) e.V., Cornelia Kaminski, darauf aufmerksam, dass in Deutschland Menschen mit Behinderungen zusehends die Zukunft mittels vorgeburtlicher Tests genommen wird.
„Der Europäische Protesttag zur Gleichstellung behinderter Menschen steht in diesem Jahr unter dem Motto „Zukunft barrierefrei gestalten“. So begrüßenswert diese Forderung auch ist: Eine Zukunft kann nur dann barrierefrei gestaltet werden, wenn es eine Zukunft gibt. Diese Zukunft wird in Deutschland Menschen mit Behinderungen zusehends genommen“, kritisierte Kaminski.
Sie verwie dabei auf den dänischen Dokumentarfilm „Tod der Downs“. Er berichte davon, dass die Anzahl der mit Downsyndrom geborenen Kinder in Dänemark – in dem seit 2004 allen schwangeren Frauen ein vorgeburtlicher Bluttest (NIPT) angeboten wird – bei nahe null lag. Mehrere Eltern erzählten demnach, dass sie sich von Ärzten zu einer Abtreibung gedrängt gefühlt hatten.
Mehr Abtreibungen nach medizinischer Indikation
„Auch in Deutschland steigen die Abtreibungszahlen. Im Vergleich zu 2012 hat es 2022 eine Steigerung der Abtreibungen nach medizinischer Indikation um fast 120 Prozent gegeben. Eine medizinische Indikation liegt z.B. vor, wenn für die Schwangere die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes besteht – hierunter fallen vor allem Beeinträchtigungen, die auf Grund einer diagnostizierten Behinderung des ungeborenen Kindes vermutet werden“, so Kaminksi.
„Eine Studie aus den USA, die die Entwicklung der Geburtenrate von Menschen mit Downsyndrom in Europa nach Einführung der vorgeburtlichen Bluttests analysiert, kommt zu dem Schluss, dass in Deutschland 50 Prozent weniger Kinder mit Downsyndrom geboren werden, seit mittels solcher Tests ein einfaches und systematisches Screening erfolgen kann. Seit dem 1. Juli 2022 sind NIPTs zur Feststellung eines Gendefekts des ungeborenen Kindes reguläre Kassenleistung“, erklärte die ALfA-Bundesvorsitzende.
Es sei zu erwarten, dass dies die Abtreibungsquote von Kindern mit Downsyndrom weiter steigern werde. „Bei bestätigter Diagnose eines Downsyndroms steht keine Heilungsmöglichkeit für das ungeborene Kind zur Verfügung. Die Eltern stehen nach Mitteilung eines positiven Testergebnis unmittelbar vor der Entscheidung, ob sie das Kind abtreiben oder leben lassen wollen, und eine Abtreibung innerhalb des ersten Schwangerschaftsdrittels ist einfacher und komplikationsloser als eine Spätabtreibung“, sagte Kaminski.
„Ein Protesttag für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen bleibt daher so lange eine Nebelkerze, wie die Forderungen nach einer barrierefreien Zukunft nicht auch die größte Barriere betreffen, die Menschen mit Trisomie betrifft: das vorgeburtliche Todesurteil mittels kassenfinanzierten Bluttests.“
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