Am 24.11.21 veröffentlichten SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ihren Koalitionsvertrag für 2021-2025.
„Öffentlich ungern thematisiert, entlarvt der Koalitionsvertrag beim Thema Abtreibung das Desinteresse an Menschen und an der Realität.“ Zu dieser Einschätzung gelangt die Vorsitzende des Bundesverband Lebensrecht e.V. (BVL), Alexandra Linder in einer Pressemitteilung vom 26.11.21. Auch die Christdemokraten für das Leben (CDL) übten scharfe Kritik an dem Vertragsprogramm.
„Der erste Satz des Abschnitts „Reproduktive Selbstbestimmung“ klingt verheißungsvoll: „Wir stärken das Selbstbestimmungsrecht von Frauen.“ Im Text jedoch steht nichts von der Stärkung der Frauen zur Durchsetzung ihres Kinderwunsches gegen den Druck der Männer – dieser Druck ist bei etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Frauen ein wesentlicher Grund für eine Abtreibung“, so Linder.
„Nichts steht im Text zum Schutz vorgeburtlicher Mädchen, damit sie nicht wegen Geschlechterdiskriminierung abgetrieben werden. Nichts steht darin zum Schutz vorgeburtlicher Mädchen (und Jungen) davon, wegen einer Behinderung oder Krankheit aussortiert und getötet zu werden. Nichts steht darin von unvollständigen Beratungen, die dazu führen, dass manche Frauen erst vor der Abtreibungseinrichtung erfahren, dass es Alternativen zur Abtreibung und Hilfsangebote gibt“, kritisierte die BVL-Vorsitzende.
Dieses Nothilfeangebot oder friedliche Gebete für Frauen, Kinder und Abtreibungspersonal als „Gehsteigbelästigung“ zu bezeichnen, sei „böswilliges Negativ-Framing“ und entmündige die Frauen, die durchaus selbstbestimmt in der Lage seien, Gesprächs- und Hilfsangebote anzunehmen oder abzulehnen. Nichts stehe zudem im Text davon, dass man mit „telemedizinisch“ betreuter Beratung und Abtreibung zu Hause Gesundheitsrisiken bewusst in Kauf nehme, zum Beispiel bei Eileiterschwangerschaft, Rhesusunverträglichkeit, falschen Angaben des Kindesalters etc. und der Vertuschung von Missbrauch und Abtreibungszwang Vorschub leiste.
Kapitulation vor echten Herausforderungen
„Allein wissenschaftlich und medizinisch ist es unhaltbar, Abtreibung als Gesundheitsversorgung und damit Schwangerschaft als Krankheit zu deklarieren, Kinder vor der Geburt zu entmenschlichen und als Gebärmutterinhalt oder Fruchtblase zu bezeichnen – womit Abtreibungsexperten in ihren künftig erlaubten Werbebroschüren seit vielen Jahren illegal die Frauen belügen“, erklärte Linder.
Dieser ethische Rückschritt sei in keiner Diskussion thematisiert worden, und auch nicht bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages. Dies sei kein Wunder: „Mit einem solchen „Fortschritt“ ist kein Staat zu machen. Die Autoren des Koalitionsvertrages wollen offenbar noch mehr als 100.000 Abtreibungen jährlich. Sie kapitulieren vor echten Herausforderungen und machen sich eine Ideologie zu eigen, die an der Wirklichkeit der Menschen vollkommen vorbeigeht, Frauen künftig noch weniger unterstützt und weitere Millionen Mädchen und Jungen der vorgeburtlichen Tötung preisgibt – gegen alle Vernunft, gegen die Erkenntnisse der Embryologie, gegen die Menschenrechte“, so ihr ernüchterndes Fazit.
Christdemokraten für das leben (CDL): Koalition versagt vor Amtsantritt
Auch die Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben e. V. (CDL), Susanne Wenzel, kritisierte in einer Stellungnahme vom 25.11.21 die Aussagen zum Lebensrecht im Koalitionsvertrag.
„Die Ampel-Koalition gibt uns mit ihrer Koalitionsvereinbarung einen bitteren Vorgeschmack auf das, was wir in Bezug auf den Lebensschutz in Deutschland in den kommenden Jahren erwarten können“, so Wenzel. Offenbar habe die FDP, die am Strafrecht zur Abtreibung nicht rühren wollte, genau in dieser Frage Konzessionen an SPD und Grüne gemacht, um im Gegenzug weitreichende Lockerungen im Embryonenschutz zu erreichen.
Die im Kapitel „Reproduktive Selbstbestimmung“ festgehaltenen Vorhaben stellen „in nahezu allen Punkten das Recht des Stärkeren über das Recht des Schwächeren“.
Abtreibung als „verlässliche Grundversorgung“
„Abtreibung soll künftig frei zugänglich und voll von der Solidargemeinschaft finanziert möglich sein als „verlässliche Grundversorgung“. Dafür soll eine eigens eingesetzte „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ kreativ „Regelungen des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts“ finden. Hier stellt sich doch unweigerlich die Frage, ob es künftig auch innovative Ideen für „Regelungen außerhalb des Strafrechts“ für Steuerhinterziehung und Wirtschaftskriminalität geben wird?“, so die CDL-Bundesvorsitzende.
„Für ihre Pläne nimmt diese technokratische Koalition künftig auch noch die Solidargemeinschaft in Mithaftung, denn sie soll nach Vorstellung der Regierung Scholz künftig die Kosten für Verhütungsmittel, PID, Abtreibung etc. voll übernehmen. Verantwortung für die Umwelt wird von der neuen Ampel-Koalition großgeschrieben. Sie muss sich aber fragen lassen, warum sie Verantwortung bei bzw. für den Menschen ablehnt“, erklärte Wenzel.
Dieses Dreierbündnis der „Kultur des Todes“ zeige sich „einfallslos und nicht entwicklungsfähig“. „Die künftige Regierung unter Olaf Scholz sollte z. B. statt das Werbeverbot für Abtreibungen zu streichen, ein Konzept vorlegen, wie die hohen Abtreibungszahlen endlich spürbar gesenkt werden können. Das macht Mühe und kostet Geld. Deshalb wird die Tötung von Kindern im Mutterleib kurzerhand zur „normalen“ Gesundheitsversorgung auf Versichertenkosten umdefiniert“, so ihre Vermutung.
Frauen als „Gebärmaschinen“ durch die Legalisierung der Leihmutterschaft
Befremdlich sei auch, dass die Koalition „die Ausbeutung und Benutzung des Körpers von Frauen als Gebärmaschinen durch die Legalisierung der Leihmutterschaft“ einführen will. Leihmutterschaft habe mit „reproduktiver Selbstbestimmung“ nichts gemein. „Völlig unabhängig von den Motiven ist Leihmutterschaft immer und ausnahmslos eine Ausbeutung der Frau und der reproduktiven Funktionen ihres Körpers. Frauen und Kinder sind keine Vertragsobjekte und können nicht gespendet, verschenkt oder verkauft werden“, stellte sie klar.
Ideenlos präsentiere sich die Koalition auch in der Frage der Neuregelung der Suizidhilfe, begrüße sie doch lediglich „zeitnahe fraktionsübergreifende Anträge“ im Bundestag, mit denen eine Entscheidung herbeigeführt werden soll. Gerade mit der Regelung der Sterbehilfe würden Weichen für die künftige Entwicklung unserer Gesellschaft gestellt. „So sehr sich diese Koalition auch um die Umwelt und das Klima sorgt, so wenig weiß sie zum sozialen Klima der Gesellschaft Neues und Innovatives vorzulegen“, so Wenzel.
„Es erscheint geradezu zynisch nach den lebens- und frauenfeindlichen Vorhaben, wenn im Absatz direkt nach diesem Kapitel die Rede von gleichen Rechten für alle, Chancengleichheit und Schutz vor Diskriminierung ist. Das gilt offenbar nach Vorstellung der kommenden Regierung nur im Hinblick auf die Verabsolutierung der Selbstbestimmung des Einzelnen, aber leider ganz bestimmt nicht für die Ungeborenen und auch nicht für Frauen. Dem durch das Bundesverfassungsgericht festgestellten Schutzauftrag des Staates für das Leben kommt die künftige Regierung Scholz in keiner Weise nach. Diese Koalition versagt hier auf ganzer Linie schon vor Regierungsantritt“, so das Fazit der CDL-Bundesvorsitzenden.
Weitere Informationen zum Koalitionsvertrag
Koalitionsvertrag 2021–2025 zwischen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP
Veröffentlicht am 24.11.21 (178 Seiten, PDF-Format)
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