18.04.21: Ökumenische Woche für das Leben 2021 zum Thema „Leben im Sterben“ in Augsburg eröffnet

Mit einem ökumenischen Gottesdienst haben die evangelische und katholische Kirche am 17. April 2021 in Augsburg die ökumenische Woche für das Leben eröffnet. Sie steht unter dem Motto „Leben im Sterben“ und widmet sich den seelsorglichen, ethischen und medizinischen Aspekten einer menschenwürdigen Sterbebegleitung sowie den Möglichkeiten der Hospiz- und Palliativversorgung.

Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), bei der Eröffnung der Woche für das Leben am 17.04.2021 in Augsburg„,Leben im Sterben‘ ist ein Thema, das in die Mitte der Gesellschaft gehört. Die Sorge um Schwerkranke und Sterbende geht uns alle an. Auch als Kirchen möchten wir hierbei Verantwortung tragen“, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, in seiner thematischen Einführung beim Eröffnungsgottesdienst im Augsburger Dom laut Pressemitteilung.

Die Kirchen würden mit diesem Thema einer Kernüberzeugung des christlichen Glaubens Ausdruck verleihen. „Der Mensch ist in jeder Phase seines Lebens von Gott angenommen. Weder Tod noch Leben kann uns trennen von der Liebe Gottes in Christus.“ Daraus folge, Kranken und ihren Angehörigen in ihrer herausfordernden Situation beizustehen. „Wo Menschen existenzielles Leid erfahren wissen wir: Gott ist nahe – gerade dann.“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, erinnerte in seiner Predigt an die Erfahrungen der Corona-Pandemie. „Wir denken an die vielen Verstorbenen der Pandemie weltweit und in unserem persönlichen Umfeld … Täglich sterben Menschen, auch unabhängig von Corona, und sie sind alle betroffen von den Einschränkungen auf den Palliativ- und Hospizstationen, in den Heimen und zu Hause“, so Bischof Bätzing.

Gefahr eines Dammbruchs

Gesellschaftlich habe das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum assistierten Suizid die Debatte um ein selbstbestimmtes Sterben neu aufflammen lassen. „Die Politik ist gefragt, ein neues Gesetz zu schaffen. Ich sehe dies mit großer Sorge, denn für mich ist hier ganz deutlich die Gefahr eines Dammbruchs gegeben, wenn eine Legalisierung der Beihilfe zur Selbsttötung möglich wird, denn der Druck auf alte und kranke Menschen wird mit der Zeit wachsen. Seinem Leben selbst ein Ende zu setzen, entspricht nicht dem christlichen Menschenbild“, erklärte Bätzing. Jeder Mensch behalte in jeder Phase des Lebens seine Würde, unabhängig von seiner Verfassung, seiner Schaffenskraft oder seiner Gesundheit. „Wer unheilbar krank ist, verdient die bestmögliche Fürsorge und Pflege“, bekräftigte er.

Auf eine gute Hospiz- und Palliativversorgung ging laut Mitteilung auch der evangelische Regionalbischof Axel Piper ein. „Die Sorge um die Menschen am Rand der Gesellschaft, um die Kranken und die Sterbenden, hat das Leben und die Botschaft Jesu ausgemacht. Mit der Palliativ- und Hospizbegleitung und vor allem auch der thematischen Auseinandersetzung gerade jetzt zeigen wir als Kirchen, wie wichtig dieses Thema ist. Wenn ich Menschen begegne, die im Sterben sind, lassen sie mich oft viel von ihrer eigenen Glaubenserfahrung wissen, sodass ich viel von der Nähe Gottes in solchen Momenten spüren kann. Sterben ist der Ernstfall des Glaubens. Und zum Glauben gehört die Begegnung. Gehört das Gespräch. Gehört, dass wir Zweifel und Hoffnung, Erfahrung und Fragen teilen können“, so Regionalbischof Piper.

Der Bischof von Augsburg, Dr. Bertram Meier, hob als Gastgeber im Augsburger Dom hervor, dass Sterben ein Teil des Lebens sei. „Die letzte Wegstrecke menschenwürdig und begleitet zu gestalten, darum geht es in der diesjährigen Woche für das Leben, die wiederum im ökumenischen Schulterschluss veranstaltet wird. Mit Gottesdiensten und Aktionen wollen die Christen die Kultur des Lebens, das immer Geschenk ist, fördern“, sagte Bischof Meier.

Podium als Zoom-Konferenz

Wie in den vergangenen Jahren war die Eröffnung der Woche für das Leben von einer thematischen Podiumsdiskussion geprägt, die diesmal – coronabedingt – als Videokonferenz stattfinden musste. Der Bayerische Staatsminister für Pflege und Gesundheit, Klaus Holetschek, würdigte in seinem Grußwort, dass die Woche für das Leben sich für schwerstkranke und sterbende Menschen stark mache.

„Jedem muss ein Leben in Würde und möglichst ohne Schmerzen bis zuletzt ermöglicht werden. Deshalb setzt Bayern auf einen weiteren Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung. Als christlich geprägte Gesellschaft dürfen wir nicht zulassen, dass Menschen den Suizid als einzigen Ausweg sehen. Wir brauchen vielmehr eine Kultur des Lebens, des Hinschauens und der Hinwendung zum kranken und sterbenden Menschen“, so Holetschek.

Nicht Hilfe zum Sterben, sondern Hilfe beim Sterben ist unsere Verpflichtung

In der von der Journalistin Ursula Heller moderierten Debatte erinnerte der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, an die doppelte Aufgabe der Ärzte. „Sterben zu verhindern, wo äußere Einflüsse zu vorzeitigem Tod führen; und Sterben zu erleichtern, wo es der natürliche Abschluss des Lebens ist.“

Den Sterbeprozess müssten, könnten und wollten Ärzte kompetent begleiten. „Nicht Hilfe zum Sterben, sondern Hilfe beim Sterben ist unsere Verpflichtung. Tötung auf Verlangen ist allen Menschen verboten, und es gehört nicht zu unseren Aufgaben, ärztliche Sterbehilfe durch die Hintertür des ärztlich assistierten Suizids zu leisten. Das Bundesverfassungsgericht irrt, wenn es die menschliche Selbstbestimmung derart überhöht, dass sie sogar die Abschaffung ihrer selbst miteinschließt. Palliativmedizin und Hospizarbeit sind wirksame Mittel zur verantwortlichen Sterbebegleitung.“ Nicht der schnelle Tod, sondern das sanft begleitete Sterben an der Hand der Familie und eines Arztes seien ein würdiger Abschluss des Lebens.

Weitere Anstrengungen bei Hospiz- und Palliativversorgung notwendig

Prof. Dr. Claudia Bausewein, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, würdigte die Entwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung. „Trotzdem bedarf es weiterer Anstrengungen, dass alle Menschen, zum Beispiel auch solche, die keine Krebserkrankung haben und eine spezielle Unterstützung bei fortgeschrittener Erkrankung und am Lebensende brauchen, diese auch erhalten.“

In der Hospiz- und Palliativversorgung sei die Arbeit im multiprofessionellen Team wesentlich, um den vielfältigen Bedürfnissen von Patientinnen und Patienten und ihrer Angehörigen gerecht zu werden: „Dazu gehören neben Ärzten, Pflegenden, Sozialarbeitern und Therapeuten auch Seelsorgende, die die spirituellen und existentiellen Belange der Betroffenen besonders im Blick haben“, so Prof. Bausewein. Mit den Möglichkeiten der Hospiz- und Palliativversorgung könne die Lebensqualität vieler Menschen in der letzten Lebensphase durch Linderung von belastenden Symptomen, aber auch von Sorgen und Ängsten deutlich verbessert werden.

Kranke und Sterbende spirituell begleiten

Prof. Dr. Traugott Roser vom Lehrstuhl für Praktische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster erinnerte auf dem Podium daran, dass die Kirchen viel in der Corona-Pandemie gelernt hätten. Vor allem wie sehr Menschen in den Gesundheitsberufen bereit seien, Kranke und Sterbende spirituell zu begleiten.

„Das sollten wir verstärken und von Anfang an in die Ausbildungen Grundlagen spiritueller Begleitung mit aufnehmen. Vor allem bedeutet das aber, dass Krankenversorgung und vor allem Sterbebegleitung Zeit und mitmenschliche Qualität brauchen und nicht – aus ökonomischen Gründen – immer mehr verdichtet werden dürfen. Die Abrechnung nach Fallpauschalen hat sich meines Erachtens als Irrweg erwiesen, wenn in die Pauschalen nicht auch die Begleitung von Mensch zu Mensch eingerechnet wird“, so Prof. Roser.

Ärztebild, das sich vom Heiler zum Vollstrecker wandelt

Die theologische Komponente des Leidens und der menschlichen Begleitung hob Weihbischof DDr. Anton Losinger (Augsburg) hervor. „Leid, Krankheit und Tod gehören unentrinnbar tief hinein in unsere menschliche Existenz. Trotz der phantastischen Möglichkeiten und Aussichten, die uns die moderne Medizin verheißt, ist uns manches fraglich geworden. Vieles zeigt die Kehrseite der wissenschaftlichen Entwicklung, die wachsende Ängste in den Menschen entstehen lässt“, so Weihbischof Losinger.

Mit Blick auf die Debatte um den assistierten Suizid stellte er fest: „Wir wenden uns gegen ein Ärztebild, das sich vom Heiler zum Vollstrecker wandelt. Darum stemmen wir uns vehement gegen Tötung auf Verlangen und organisierte Sterbehilfe. Hinter der Theorie vom freiverantwortlichen Suizid steht allermeist nicht autonome Freiheit, sondern ein Hilferuf an die Gesellschaft. Gute Pflege, professionelle Palliativversorgung und Ausbau der Hospizidee sind die passenden Instrumente. Unsere Aufgabe ist Hilfe zum Leben, nicht Sterbehilfe!“, betonte Losinger.

BVL-Online-Fachtagung zum Thema „Der moderne Tod. Assistierter Suizid als „gute“ Tat?“

BVL-Fachtagung zur Woche für das Leben am 17.04.21 zum Thema SuizidbeihilfeAuch der Bundesverband Lebensrecht (BVL) veranstaltete am selben Tag in Augsburg im Rahmen der Woche für das Leben eine Online-Fachtagung mit ausgewiesenen ExpertInnen. Thema war „Der moderne Tod. Assistierter Suizid als „gute“ Tat?“. Die Online-Fachtagung befasste sich mit den Konsequenzen einer Werteverschiebung für die Menschenwürde im Falle einer liberalen Suizidbeihilfe-Regelung und den Umgang mit Menschen an ihrem Lebensende.

Aus wissenschaftlicher Sicht geht es in diesem Bereich unter anderem um Suizidforschung, Autonomie und Fremdbestimmung sowie ethische Alternativen zur begleiteten Selbsttötung. Dazu sprach zur Einführung der Fachtagung der Philosoph Professor Berthold Wald über die Zugehörigkeit des Todes zum Leben. Anschließend beschäftigte sich Professor Reinhard Lindner, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, mit der Suizidprävention und erörtert den ambivalenten Wunsch nach Assistenz beim Suizid.

Die Möglichkeiten und Alternativen zur Tötung legte Dr. Thomas Sitte, Oberarzt für Palliativmedizin, aus der Praxis dar und zeigte die Unterschiede zwischen Lebenshilfe, Sterbehilfe und Tötungshilfe auf. Abschließend gab es eine Podiumsdiskssiun mit Fragen aus dem Publikum.

Die Video-Aufzeichnungen der Vorträge und Diskussion sind auf der Webseite des BVL abrufbar.

Weitere Informationen zur Woche für das Leben

PDFPredigt von Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, beim ökumenischen Gottesdienst zur bundesweiten Eröffnung der Woche für das Leben in Augsburg, 17.04.21

PDFThematische Einführung von Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD, beim ökumenischen Gottesdienst zur bundesweiten Eröffnung der Woche für das Leben in Augsburg, 17.04.21

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