Im Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Suizidbeihilfe außer Kraft gesetzt (§ 217 StGB). Mit seinem Urteil hat es einer Liberalisierung der Suizidhilfe den Weg geebnet, welche in ihrer Radikalität selbst von den Befürwortern nicht erwartet worden war.
Zum Internationalen Tag der Suizidprävention am 10.09.2020 warnt der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband (DHPV) in einer Pressemitteilung, der mit dem Urteil des BVerfG zu erwartende erleichterte Zugang zum assistierten Suizid gefährde die suizidpräventive Arbeit auch im Rahmen der Hospiz- und Palliativarbeit.
Suizidwünsche sind ambivalent
„Alle in der Hospiz- und Palliativarbeit tätigen Menschen wissen, dass ein Suizidwunsch von Schwerkranken häufig mit der Angst vor Schmerzen und belastenden Symptomen, vor Einsamkeit und Apparatemedizin sowie der Angst, auf Hilfe angewiesen zu sein und seinen An- und Zugehörigen zur Last zu fallen, begründet wird“, erklärte der Vorsitzende des DHPV, Prof. Winfried Hardinghaus.
Dies decke sich mit den Erfahrungen und Forschungsergebnissen der Suizidprävention. Demnach sind Suizidwünsche ambivalent und müssen als Wunsch nicht nach einem zügigen Tod, sondern nach Verbesserung der aktuellen Situation verstanden werden. Nach dem Urteil, das auch die Werbung für die Suizidbeihilfe möglich macht, befürchtet de DHPV, dass das genaue Hinhören und die einfühlende Begleitung von schwerstkranken und sterbenden Menschen „einer Pragmatik der vermeintlich unkomplizierten, schnellen und endgültigen Lösung weichen“ wird.
Dabei bieten Hospizarbeit und Palliativversorgung schon heute umfassende Möglichkeiten zur Unterstützung eines würdevollen, weitgehend beschwerdefreien, durchaus selbstbestimmten und eher am natürlichen Ablauf ausgerichteten Sterbens. Diese Möglichkeiten müssten in der Öffentlichkeit noch bekannter werden, so der Fachverband.
Hohe Zahl an älteren Menschen, die Suizid begehen
Besondere Sorge bereite die hohe Zahl an älteren Menschen, die Suizid begehen. Obwohl die Suizidrate in Deutschland in den letzten Jahrzehnten um die Hälfte abgenommen hat, steige sie bei Senioren stetig an.
„In einer Gesellschaft des langen Lebens, in der die Zahl der auf fremde Hilfe angewiesenen Menschen ebenso zunimmt wie die Angst, dass für einen nicht gesorgt sein wird, in einer Zeit, die von Zeitknappheit und Mobilität geprägt ist, müssen die Voraussetzungen für die Sorgekultur der Gesellschaft in den Vordergrund der politischen und gesellschaftlichen Bemühungen gerückt werden“, so Hardinghaus. „Wir müssen alle gemeinsam an einer gesamtgesellschaftlichen Kultur der Wertschätzung gegenüber kranken und sterbenden Menschen arbeiten, statt den Zugang zur Suizidbeihilfe zu erleichtern.“
Der Deutsche Hospiz- und PalliativVerband e.V. ist seit 1992 die bundesweite Interessenvertretung der Hospizbewegung sowie zahlreicher Hospiz- und Palliativeinrichtungen in Deutschland.
Aktuelle Zahlen zu Suiziden in Deutschland
Im Jahr 2018 sind laut Statistischem Bundesamt in Deutschland 9396 Menschen durch Suizid gestorben. Die Suizidrate und das Suizidrisiko steigen dabei mit dem Lebensalter. In allen Altersgruppen sterben deutlich mehr Männer durch Suizid als Frauen.
Betrug die Suizidrate, d.h. die Suizide pro 100.000 Einwohner, 2018 bei 20 bis 25-jährigen Männern noch 11,4 und bei Frauen 2,8, so steigt sie bei den 85 bis 90-jährigen Männern auf 77,9 und bei Frauen auf 12,4. Bei den über 90-jährigen Männern steigt die Suizidrate auf 90,3.